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Wenn für das Licht die Zeit still steht ....
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Tarvoc
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Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44648

Beitrag(#1951483) Verfasst am: 19.09.2014, 17:31    Titel: Re: Wenn für das Licht die Zeit still steht .... Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Tarvoc hat folgendes geschrieben:
(1) Wenn Kant Recht damit hat, dass die Kategorien und Anschauungsformen Voraussetzungen jeder vernünftigen Theoriebildung sind, sind sie natürlich nicht mehr nur relativ.

Doch, auch dann wären sie immer noch nur relativ: Daß etwa Raum und Zeit jeder Theoriebildung zugrundliegen müssten, wäre dann immer noch keine Eigenschaft von Raum und Zeit, sondern eine Eigenschaft der Modellbildung.

Ja und? Inwiefern macht sie das relativ? Als Eigenschaft der Modellbildung wären sie absolut. Kant will sie ja gerade als Eigenschaften aller vernünftiger Modellbildung etablieren.

step hat folgendes geschrieben:
Witzigerweise würde das wiederum u.a. zu dem logischen Schluß führen, daß Kant nichts über die Natur von Raum und Zeit beigetragen hätte [...]

Ich bin in der Tat der Ansicht, dass Kant effektiv nichts zur physikalischen Natur von Raum und Zeit beizutragen hat (wobei Kant selbst das etwas anders sah). Kant beschäftigt sich mit Raum und Zeit nur als Anschauungsformen.

Der Witz ist, dass Kant in der Tat bestreitet, dass Raum und Zeit überhaupt eine darüber hinausgehende physikalische Realität haben. Ich verstehe die spezielle Relativitätstheorie nicht wirklich, aber soweit ich in groben Zügen eine gewisse Vorstellung von ihren Aussagen zu haben glaube, scheint sie mir Kant in diesem Punkt zu widerlegen. Wenn das zutrifft, haben sich seine Begriffe von Raum und Zeit damit für die Physik erledigt. Für die Logik der Wahrnehmung hingegen nicht unbedingt.

step hat folgendes geschrieben:
Abgesehen davon hat Kant natürlich mE unrecht, wenn überhaupt gilt seine Behauptung offensichtlich nur für mesokosmisch-klassisch-intuitive Theorien.

Den Vorwurf halte ich für korrekt, im Kontext einer Polemik (und dieser Kontext ist der einer Polemik) aber auch für etwas unfair, weil es zu Kants Zeit noch keine anderen Theorien gab als solche.

step hat folgendes geschrieben:
Es ging darum, daß die empirisch belegte Entwicklungstheorie Kant hätte zeigen können, daß sein logisches Gebäude nicht zur Welt paßt.

Ich weiss immer noch nicht, wie sie das zeigen soll.

step hat folgendes geschrieben:
Diese Kritik geht natürlich ins Leere, wenn Kant gar nichts über die Welt (z.B. die Natur von Raum und Zeit) aussagen wollte, sondern nur ein in sich logisches Reflexionsgebäude errichten wollte, basierend auf ein paar unhinterfragten Intuitionen.

Du hast Recht damit, dass Kant nichts über die Welt "an sich" aussagen wollte - sondern über die Logik unserer Erkenntnis über die Welt. Für Kant sind das zwei schlechthin verschiedene Dinge.
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"Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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Steffen Rehm
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Anmeldungsdatum: 10.07.2011
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Wohnort: bei Berlin

Beitrag(#1951494) Verfasst am: 19.09.2014, 17:57    Titel: Antworten mit Zitat

Was ist das "Jetzt"?

Man kann ein Gedankenexperiment machen, in dem man sich die Nervenzellen der Grosshirnrinde (Cortex cerebri), speziell ihre Pyramidenzellen, andauernd in einem erregbaren Zustand vorstellt, ständig bereit zur Bildung von Aktionspotentialen.

Weil alle Pyramidenzellen untereinander tausendfach in synaptischen Verbindungen sind, würde in diesem Fall jeder einzelne Nervenimpuls sich sofort wie ein Buschfeuer ausbreiten, das heißt sehr schnell alle anderen Neurone erregen. Eine differenzierte Datenverarbeitung wäre im Cortex so nicht möglich, der totale Erregungszustand wäre vergleichbar mit einem epileptischen Anfall.

Im Gehirn wird dieses Problem verhindert, indem alle Pyramidenzellen synchron in ständigem Wechsel erregbar und unerregbar gemacht werden, circa 15-30 mal pro Sekunde.
Das geschieht, indem das Membranpotential der Nervenzellen rhythmisch gesenkt und angehoben wird. Weil alle Neuronen ein bestimmtes Membranpotential (Zündschwelle) für die Bildung von Aktionspotentialen haben müssen, sind sie bei erniedrigtem Potential garnicht erregbar, das heißt, dass alle Erregungen in dem Moment gelöscht werden, um bei steigendem Potential nahe der Zündschwelle wieder für einen Augenblick lang für neue Erregungen bereit zu sein. Die Rhythmik der „Hirnwellen“ sorgt also dafür, dass die Arbeit der Hirnrinde in einem Takt vor sich geht, der den Cortex ca. 15-30 mal pro Sekunde an- und ausschaltet. Damit wird die undifferenzierte totale Erregung verhindert und ca. 15-30 mal pro Sekunde ein „Jetzt“-Zustand erzeugt, der die aktuellen Eindrücke des Nervensystems in differenzierten Erregungsmustern abbilden kann. Jeder „Jetzt“-Zustand ist deshalb nicht mit dem Punkt auf einer Linie vergleichbar sondern hat eine kurze Dauer von wenigen Millisekunden.
Als Beweis kann das Verschmelzungsphänomen im Kino gesehen werden, wenn bei ca. 25 Bildern pro Sekunde diese nicht einzeln sondern ohne Unterbrechung zusammenhängend gesehen werden.
Das gleiche Verschmelzungsphänomen zeigt sich auch bei Schallereignissen, wenn aus ca. 20 Luftdruckschwankungen pro Sekunde ein kontinuierlicher „Ton“ gehört wird.
Die einfache Erklärung für die „Verschmelzung“ ist darin zu sehen, dass ein ununterbrochener Zusammenhang wahrgenommen wird, wenn jede Phase des corticalen Arbeitstaktes über eine Zeit lang die gleiche Information erhält, dann entsteht der Eindruck eines Kontinuums.
Mit dem cerebralen Arbeitstakt wird auch verständlich, wie der Begriff „Zeit“ nach KANT als Form der Anschauung a priori im Menschen seinen Ursprung hat, als Hirnprodukt.
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Die Erkenntnis der Grenze ist die Grenze der Erkenntnis
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Tarvoc
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Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44648

Beitrag(#1951500) Verfasst am: 19.09.2014, 18:11    Titel: Re: Wenn für das Licht die Zeit still steht .... Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Abgesehen davon hat Kant natürlich mE unrecht, wenn überhaupt gilt seine Behauptung offensichtlich nur für mesokosmisch-klassisch-intuitive Theorien.

Ach ja, man könnte übrigens mutmaßen, dass für Kant moderne Theorien, die seine Kriterien nicht erfüllen, einfach gar keine vernunftgemäßen wissenschaftlichen Theorien wären, sondern schlechte Metaphysik. Ich kenne Kantianer, die besonders bezüglich der Quantenphysik und der Urknalltheorie tatsächlich diese Position vertreten. Ernst nehmen muss man das natürlich nicht.
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step
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Beitrag(#1951514) Verfasst am: 19.09.2014, 18:42    Titel: Re: Wenn für das Licht die Zeit still steht .... Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Daß etwa Raum und Zeit jeder Theoriebildung zugrundliegen müssten, wäre dann immer noch keine Eigenschaft von Raum und Zeit, sondern eine Eigenschaft der Modellbildung.
Als Eigenschaft der Modellbildung wären sie absolut. Kant will sie ja gerade als Eigenschaften aller vernünftiger Modellbildung etablieren.

Ja, im Rahmen seines logischen Systems wären Vorstellungen von Raum und Zeit dann absolute Elemente. Aber die Verankerung seines logischen Systems an der empirischen Welt ist problematisch.

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Der Witz ist, dass Kant in der Tat bestreitet, dass Raum und Zeit überhaupt eine darüber hinausgehende physikalische Realität haben.

Im Prinzip muß er das sogar bestreiten, weil es sonst merkwürdige Widersprüche zu seinem logischen System gibt.

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Ich verstehe die spezielle Relativitätstheorie nicht wirklich, aber soweit ich in groben Zügen eine gewisse Vorstellung von ihren Aussagen zu haben glaube, scheint sie mir Kant in diesem Punkt zu widerlegen.

Bereits die zu Kants Zeiten gültige euklidische Metrik hätte er als Hinweis deuten können, daß Raum und Zeit in irgendeiner Weise physikalisch sein müssen. Man kann ja nun mal Abstände messen.

Die SRT widerlegt, daß Raum und Zeit getrennte Kategorien sind, sie mischen sozusagen. Außerdem widerlegt die SRT, daß Raum und Zeit bezugssystemunanhängig sind (deswegen heißt es Relativitätstheorie), und daß es einen Äther gebe. All das konnte Kant nicht wissen. Er (oder Newton) hätten es höchstens herleiten können, etwa wenn sie aus ästhetischen oder Einfachheitsgründen die Fordeung aufgestellt hätten, daß alle physikalischen Gesetze unabhängig vom bewegten Bezugsystem sein sollen. Denn daraus allein schon kann man die SRT ableiten! Aber das wäre natürlich ein (wenn auch sehr elegantes) metaphysisches Postulat gewesen, das man zu ihrer Zeit nicht hätte überprüfen können.

Die ART verknüpft zum ersten Mal die Raumzeitmetrik mit anderen physikalischen Größen - speziell mit Massen und anderen Energien und Impulsen - die Metrik krümmt sich durch Energien, und die Teilchen bewegen sich auf durch die gekrümmte Metrik festgelegten Bahnen.

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Wenn das zutrifft, haben sich seine Begriffe von Raum und Zeit damit für die Physik erledigt. Für die Logik der Wahrnehmung hingegen nicht unbedingt.

Die Logik der Wahrnehmung bzw. die Wahrnehmung selbst hat sich allerdings insofern selbst erledigt, als sie in bezug auf moderne Physik falsche Resultate liefert.
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Beitrag(#1951516) Verfasst am: 19.09.2014, 18:48    Titel: Re: Wenn für das Licht die Zeit still steht .... Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Abgesehen davon hat Kant natürlich mE unrecht, wenn überhaupt gilt seine Behauptung offensichtlich nur für mesokosmisch-klassisch-intuitive Theorien.
Ach ja, man könnte übrigens mutmaßen, dass für Kant moderne Theorien, die seine Kriterien nicht erfüllen, einfach gar keine vernunftgemäßen wissenschaftlichen Theorien wären, sondern schlechte Metaphysik.

Mag schon sein, siehe dazu unten konkret. Er müßte allerdings zugeben, daß auch seine Kriterien letztlich auf metaphysischen Postulaten beruhen.

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Ich kenne Kantianer, die besonders bezüglich der Quantenphysik und der Urknalltheorie tatsächlich diese Position vertreten. Ernst nehmen muss man das natürlich nicht.

Ich denke, man kann diese Haltung dann vetreten, wenn es um Interpretationen oder Modelle geht, die keine überprüfbaren Vorausagen erlauben. In allen anderen Fällen haben sie verloren.
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Tarvoc
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Beitrag(#1951523) Verfasst am: 19.09.2014, 19:07    Titel: Re: Wenn für das Licht die Zeit still steht .... Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Ja, im Rahmen seines logischen Systems wären Vorstellungen von Raum und Zeit dann absolute Elemente. Aber die Verankerung seines logischen Systems an der empirischen Welt ist problematisch.

Die Anschauungsformen sind ja für Kant auch nicht in der Welt verankert, sondern im erkennenden Subjekt. Insofern mit der Welt die Welt der Dinge an sich gemeint sein soll, sind das für Kant zwei ganz grundsätzlich unterschiedliche Dinge. Insofern mit der Welt die Welt der Phänomene gemeint sein soll (also das, was Kant empirisch nennt), wäre es für ihn sogar genau umgekehrt: Sie ist in den Anschauungsformen und Kategorien verankert und nicht umgekehrt. So gesehen wäre das fast wieder vergleichbar mit der modernen Physik: Die Welt der Dinge an sich wäre in ihrer Unanschaulichkeit vergleichbar mit dem, was beispielsweise die Gleichungen der Quantenmechanik beschreiben, in dem Sinne, dass das von der Welt der alltäglichen Anschauungen so grundsätzlich verschieden erscheint, dass es sich für den Alltagsverstand gar nicht mehr wirklich anschaulich machen lässt. Die Welt der Phänomene wäre hingegen die Welt unserer alltäglichen, durch die Sinne vermittelten Anschauungen, für die die intuitiven Voraussetzungen gelten. Kants Erkenntnistheorie wäre damit in ähnlicher Weise auf unseren mesokosmischen Bereich beschränkt wie Newtons Physik (was ich gar nicht allzu überraschend finden würde). Sie wäre dann auch lediglich insofern widerlegt, als man eben doch vernünftige Theorien über die "Dinge an sich" bilden könnte. Jede überprüfbare Voraussage bezieht sich gerade in ihrer empirischen Überprüfbarkeit aber natürlich immer auch auf die Welt der uns durch die Sinne zugänglichen alltäglichen Erscheinungen - etwa auf bestimmte Anzeigen von Messgeräten und dergleichen. Richtig interessant wird's natürlich dann, wenn wir in die Lage kommen, Gerätschaften wie etwa Messgeräte direkt mit unserem biologischen Erkenntnisapparat verbinden zu können.

step hat folgendes geschrieben:
Die Logik der Wahrnehmung bzw. die Wahrnehmung selbst hat sich allerdings insofern selbst erledigt, als sie in bezug auf moderne Physik falsche Resultate liefert.

Die Frage ist ja: Wenn das der Fall ist, wie können dann die Theorien der modernen Physik überhaupt noch empirisch (also gerade durch Wahrnehmung) überprüfbare Voraussagen liefern?
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Beitrag(#1951542) Verfasst am: 19.09.2014, 20:03    Titel: Re: Wenn für das Licht die Zeit still steht .... Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Die Logik der Wahrnehmung bzw. die Wahrnehmung selbst hat sich allerdings insofern selbst erledigt, als sie in bezug auf moderne Physik falsche Resultate liefert.
Die Frage ist ja: Wenn das der Fall ist, wie können dann die Theorien der modernen Physik überhaupt noch empirisch (also gerade durch Wahrnehmung) überprüfbare Voraussagen liefern?

Ich meinte natürlich nicht, daß sich die Wahrnehmung insgesamt erledigt hätte, sondern nur die intuitive Wahrnehmung, für die Kants Kategorien möglicherweise sinnvoll sind.

Man ersetzt diese intuitive Wahrnehmung durch Messungen, so daß die intuitive Wahrnehmung nur noch die Endstufe betrifft (z.B. Zeiger ablesen), wo sie sich als zumindest einigermaßen verläßlich erwiesen hat. Gleichzeitig versucht man, mögliche systematische Fehler in den Meßgeräten durch unabhängige Messungen auszuschließen. Dabei verläßt man sich auf Verfahren, die sich bereits zuvor als verläßlich erwiesen haben, so daß letztlich ein Gebäude aufeinander aufbauender Verfahren entsteht.
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Tarvoc
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Beiträge: 44648

Beitrag(#1951546) Verfasst am: 19.09.2014, 20:06    Titel: Antworten mit Zitat

Ja. Solche Verfahren der stufenweisen Stützung kennt Kant noch nicht. Mindestens in der Hinsicht bleibt er noch im Rahmen der klassischen Metaphysik.
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uwebus
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Beitrag(#1951571) Verfasst am: 19.09.2014, 22:35    Titel: Antworten mit Zitat

Er_Win hat folgendes geschrieben:


Was sollen dann diese "Erklärungen" für dein postuliertes "gedächtnisloses JETZT" für einen Wert haben ?


Du hast mich gefragt, was das Jetzt ist, und ich habe versucht zu erklären, was das aus Sicht der menschlichen Wahrnehmung ist, nämlich ein so kurzer Veränderungsabschnitt, daß dieser nicht zu einer Datenspeicherung in deiner Denkerbse führt. Dieser Veränderungsabschnitt ist immer > 0, weil sich die Welt bewegt.

Das gedächtnislose Jetzt ist das sog. Sein als solches, also die permanente Anwesenheit des Universums, die man postulieren muß, weil es sonst keine Welt gäbe. Jetzt = Welt, die sich eben nur manifestieren kann in einem reflexionsfähigen Gedächtnis und dazu muß sie wechselwirken zwischen sich als Objekt und sich als Subjekt, sonst könnte sie sich nicht wahrnehmen.

Ich mache halt nicht den Fehler den ihr macht, nämlich euch von der Welt zu abstrahieren, ich bin ein Teil der WELT und kommuniziere mit mir selbst. Das ist aus meiner Sicht der Sinn des physischen Universums, bewußte Daseinsformen zu erzeugen, damit das Sein als solches in seiner physischen Form WELT sich überhaupt als solche wahrnehmen kann. Und Wahrnehmung geht technisch nur durch Wechselwirkung, ist also mit Energieübertragung von A nach B verbunden, und dazu ist eben bei einer Leistung < ∞ eine Arbeit /(Δt > 0) erforderlich.

Ist die Leistung groß genug erzeugt sie einen Abdruck im Gedächtnis, das hängt aber ab von der Empfindlichkeit des Wahrnehmungssensors. Ist die Leistung kleiner, wird sie vom Subjekt nicht wahrgenommen, aber da die Welt sich bewegt ist das Wechselwirkungsprinzip actio=reactio immer aktiv, es gibt kein (Δt = 0).
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smallie
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Beiträge: 3726

Beitrag(#1951587) Verfasst am: 20.09.2014, 00:07    Titel: Re: Wenn für das Licht die Zeit still steht .... Antworten mit Zitat

Zumsel hat folgendes geschrieben:
@ smallie

Mir scheint das Problem darin zu bestehen, dass du nicht bereit bist, dich auf Kant einzulassen, sondern das, was du für seine Erkenntnistheorie hältst, an irgendwelchen dir schlüssig erscheinenden Fetzen anderer Philosophen misst.

Das Schwarze ist nicht ganz richtig. "unschlüssig erscheinende Fetzen" - so ist es besser.

    - Zenon: macht intuitive und fehlerhafte Annahmen über die Welt. Ich mag in trotzdem sehr.
    - Aristoteles: macht intuitive und fehlerhafte Annahmen über die Welt.
    - Kant: macht intuitive und fehlerhafte Annahmen über die Welt, obwohl er aus der Philosophiegeschichte bereits hätte wissen können, daß intuitive Annahmen in die Hose gehen können.



Zumsel hat folgendes geschrieben:
Du unterscheidest z.B. nicht zwischen Anschauung und reiner Anschauung, zwischen Begriffen und reinen Verstandesbegriffen. Genau das ist für das Verständnis von Kant aber elementar. Auch, was Kant mit den Antinomien zeigen wollte hast du nicht verstanden, weil du dir lieber auf Grund von Schlagworten irgendetwas zusammenreimst anstatt zu lesen, was Kant geschrieben hat.

Kant hat manches Richtige gesagt. Beispiele habe ich gegeben. Kant hat auch Falsches gesagt. Das Falsche wird nicht richtiger, wenn ich mir die Begriffe dahinter ansehe. Sollte jemand sagen: Hier! die Quadratur des Kreises! dann brauche ich mir seine Begriffe auch nicht näher ansehen, außer ich hätte ein historisches Interesse an dem Denkfehler.


Sogar jene Denker, die Richtiges dachten, nutzten manchmal Begriffe, die heute seltsam anmuten. Nochmal Newton aus obigem Zitat:
Zitat:
inanimate brute matter
gravitation in the sense of Epicurus, be essential and inherent in [matter]
gravitation innate, inherent, and essential to matter

Was genau Newton damit gemeint hat, ist umstritten. Newton hat über Dinge spekuliert, die er nicht wissen konnte, deshalb sind die Begriffe, mit denen er arbeitet naturgemäß schwammig und abstrakt, so daß unklar bleiben muß, was genau gemeint ist.

Ähnliches läßt sich über Kant sagen. Er wußte nicht, wovon er sprach. Trotzdem spricht er.

Apropos: Anschauung und reine Anschauung Das würde mich interessieren, was das ist. Hat es was mit empirischer vs. formaler Erkenntnis zu tun?


Zumsel hat folgendes geschrieben:
Vielleicht ist dir Kant auch einfach zu trocken und abstrakt, was erklären würde, warum du mit seiner vorkritischen Naturbetrachtung mehr anfangen kannst.

Ach. Bisher habe ich drei Theoreme in diesem Thread erwähnt: das Noether-Theorem, das Theorem über das Integral eines geschlossenen Pfades, und die Gleichung von Price.

Abstraktion an sich schreckt mich nicht. Was mich schreckt ist, daß Abstraktion gerne mißbraucht wird, um Beliebigkeit oder gar Inhaltsleere zu verschleiern. Unterscheiden lassen sie beide Varianten sehr leicht: wer Abstraktion mißbräuchlich verwendet, dem fällt es schwer, ein konkretes Beispiel zu geben.


Zumsel hat folgendes geschrieben:
Man diskutiert ja auch nicht mit jemandem über Fußballtaktik, der nicht einsehen und verstehen will, warum die Spieler den Ball nicht einfach in die Hand nehmen dürfen und seine Überlegungen daher auf Grundlage der Annahme führt, sie dürften es.

Kant ist derjenige, der den Ball in die Hand nimmt. nee
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smallie
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Beiträge: 3726

Beitrag(#1951588) Verfasst am: 20.09.2014, 00:17    Titel: Antworten mit Zitat

smallie hat folgendes geschrieben:
Kival hat folgendes geschrieben:
<schnipp>

Übrigens vermute ich, daß deine Formulierung eine windschittige Neuinterpretation von Kant ist.

Das sollte natürlich windschnittig lauten. Pfeifen
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Tarvoc
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Beitrag(#1951589) Verfasst am: 20.09.2014, 00:38    Titel: Re: Wenn für das Licht die Zeit still steht .... Antworten mit Zitat

smallie hat folgendes geschrieben:
Das Falsche wird nicht richtiger, wenn ich mir die Begriffe dahinter ansehe.

Aha. Mit anderen Worten: Du musst eine Aussage nicht verstehen, um beurteilen zu können, ob sie richtig oder falsch ist.

Wenn das dein allgemeines Vorgehen ist, erklärt das allerdings einiges.

smallie hat folgendes geschrieben:
Er wußte nicht, wovon er sprach.

Projektion. Zunächst und zuförderst bist du hier derjenige, der nicht weiss, wovon Kant sprach.
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Beitrag(#1951595) Verfasst am: 20.09.2014, 01:41    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:
Was du sagtest, war ein lupenreiner uwebus.

Nein, war es nicht. Du hattest die zeitliche Entwicklung der Fähigkeit zur Zeitwahrnehmung als Gegenargument gegen Kants Behauptung, Zeit sei eine Anschauungsform a priori, angeführt. Mein Kommentar zeigt auf, wie diese Behauptung von dir das Resultat deiner Verwirrung hinsichtlich Kants Aussage ist. Dass es Zeit unabhängig von der Entwicklung irgendwelcher Wahrnehmungsorgane gibt, sagt Kant auch - andernfalls wäre sie nämlich nicht a priori. Mein Kommentar war also keine Äußerung meiner eigenen Meinung, sondern eine Reductio ad absurdum der Prämissen deiner Argumentation gegen Kant. Konkret war es eine Reductio ad absurdum deiner falschen Prämisse, das, was Kant Anschauungsform a priori nennt, mit dem "Zeitgefühl" oder der "biologischen Uhr" o.Ä. zu identifizieren.

Ok. Dann hast nicht du den uwebus gebracht, sondern Kant. Mr. Green

Ich glaube, ich ahne inzwischen, wo unsere grundsätzliche Meinungsverschiedenheit liegt. Aber der Reihe nach.


Tarvoc hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:
- Kant und sein Unverständnis von Vakuum.

Dazu kann ich nicht viel sagen. Aber ja, ich kann mir gut vorstellen, dass Kant das nicht verstanden hat. Schon weil viele seiner Zeitgenossen außerhalb der Physik das auch nicht verstanden.

Dann hätte er erwähnen müssen, daß er die Ergebnisse von Torricelli und Guericke unverständlich findet. nee


Tarvoc hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:
- Kant und sein Unverständnis von technischen Apparaturen als logische Voraussetzung von neuen Erkenntnissen.

Äh, wie? Das ist keine logische Voraussetzung neuer Erkenntnisse, sondern eine kausale. Ist dir der Unterschied klar?

Wenn du unterschieden hättest zwischen logischer Voraussetzung und faktischer Voraussetzung, hätte ich angenommen, dich zu verstehen. (womöglich sogar fälschlicherweise!) So verstehe ich es nicht. Kannst du bitte ein Beispiel geben.

Hier ist, wie ich deine Zeilen lese:

Ich sage: mit Fahrzeugen kommt man von A nach B.
Du sagst: dir ist aber schon klar, daß es Fahrräder, Autos und Züge gibt.
Errm.


Smodes Zitat zeigt recht schön, daß Kant über technische Apparaturen nicht nachgedacht hat.
Smode hat folgendes geschrieben:
http://de.wikipedia.org/wiki/Skeptizismus

Zitat:
Immanuel Kant
Alles auf menschlicher Erfahrung basierende uneigentliche "Vermutungswissen" basiert hingegen nur auf verallgemeinernden Vermutungen, die nicht immer zuverlässig seien, weil sie durch mangelnde oder eingeschränkte Erfahrung sowie durch die beschränkten Fähigkeiten der Sinnesorgane des Menschen mitbestimmt werden.

Die beschränkten Sinnesorgane sind es eben nicht. Deshalb bauen wir Teleskope, Mikroskope und Beschleuniger. Das hat so manches in den Bereich unserer Erfahrung gebracht. Außerhalb unserer Erfahrung ist, wenn der Blick ins All durch ein Teleskop auf einen Urknall-Ereignishorizont trifft. Oder wenn uns die technischen oder finanziellen Mittel fehlen, um einen Beschleuniger zu bauen, der genügend Wumms hat, um die weitere hypothetische Grundbausteine der Materie zu erforschen.


Tarvoc hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:
- Kant und sein Unverständnis, Hell/Dunkel als ebenso apriori zu verstehen, wie Raum und Zeit

Ich hab' von dir kein Argument gehört, warum die Unterscheidung Hell/Dunkel überhaupt a priori sein sollte.

Kommt gleich.

Zuvor noch dies, um mein Argument disput- und polemikfrei zu halten.

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:
Ich sollte was zur unterschwelligen Annahme sage, ich könne nicht selber denken. Mit den Augen rollen

Moment. Wer nimmt sowas an? Ich jedenfalls nicht.

Alles deine Worte:
Zitat:
Ich sehe allerdings auch nicht, warum das außer dir irgendwen interessieren sollte.

Warum ich mich für das Gerede interessieren sollte, das du aus dritter Hand über Kant nachplapperst, ist eine völlig andere Frage.

Ich bezweifle irgendwie, dass sich Lorenz oder Vollmer für deine erkenntnistheoretischen Ambitionen interessieren.

Da steht in meiner Sprache, ich könne keinen interessanten Gedanken hervorbringen. Da steht ich würde nur nachplappern. Das heißt nichts anderes als ich könne nicht selber denken.


Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Solange du keine Begründungen lieferst, muss ich das gar nicht weiter mit dir diskutieren.

Diese Figur von dir ist ein gutes Beispiel dafür, wie du die Diskussion immer wieder zur Farce machst. Eigentlich sollte ich spätestens hier die Diskussion abbrechen. Da du sagst, dass du noch Begründungen nachreichen willst, tue ich es noch nicht.

Weißt du, es ist schon öfter vorgekommen, daß ich in einem Thread, in dem ich sonst nicht beteiligt war, einen Einmalbeitrag gebracht habe, und auf Antworten nicht weiter eingegangen bin. Das ist unhöflich und ich bitte bei den Betroffenen um Entschuldigung.

Aber denkst du wirklich, ich würde hier ein Argument auslassen, von dem ich glaube, es sei gut? Keine Sorge, meinen Anspruch auf Deutungshoheit gebe ich nicht freiwillig her. Dazu bin ich viel zu stur und rechthaberisch.

Nur gibt es manchmal Tage, da bin ich nicht in schreiblaune.
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Zuletzt bearbeitet von smallie am 20.09.2014, 02:21, insgesamt einmal bearbeitet
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smallie
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Anmeldungsdatum: 02.04.2010
Beiträge: 3726

Beitrag(#1951596) Verfasst am: 20.09.2014, 01:42    Titel: Re: Wenn für das Licht die Zeit still steht .... Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Tarvoc hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:
Tarvoc, das verstehst du nicht. Du verstehst auch nicht warum Hell/Dunkel mehr apriori ist als Raum und Zeit.

Ja, da hast du völlig Recht. Allerdings ist das nur stating the obvious.

Kleiner erläuternder Nachtrag:

Freut mich, daß du die Sache sportlich nimmst. Smilie


Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Tatsächlich weiss ich nicht mal, was "mehr" a priori oder "weniger" a priori überhaupt heißen soll. Die Auffassung von Helligkeit (oder besser gesagt Farbe) als eine Art Quasi-a priori optischer Anschauung findet sich, wenn ich mich recht erinnere, auch irgendwo Ludwig Wittgensteins "Tractatus logico-philosophicus" - allerdings hat er das später aufgegeben. Mich interessiert aber deine Begründung für diese Ansicht, gerade insofern du sie hier spezifisch als Kritik an Kant angeführt hast.

Die Anschauung von Raum und Zeit - was sind die Vorraussetzungen dafür?

Um die Anschauung von Raum und Zeit zu erwerben, braucht es Sinne, die Raum und Zeit erfahrbar machen. Welche Sinne sind dazu geeignet?

    - Sehsinn. (sprich: Hell/Dunkel-Wahrnehmung) Dürfte der häufigste Weg sein, wie die biologischen Arten zu einer Wahrnehmung des Raumes kommen.

    - Hörsinn. Echolokation. Auch eine Möglichkeit, Raum zu erfahren. Mir ist kein Beispiel bekannt, bei dem erst oder ausschließlich Echolokation erworben wurde. Gibt es solche Fälle?

    - Ein Magnetsinn, wie Vögel ihn haben. Für eine fein aufgelöste Wahrnehmung des Raumes vermutlich zu grob.

    - Beschleunigungssinn. Ein Lebewesen mit einem Sinn, der einem biologischem Gyroskop entspricht, könnte damit etwas über den Raum und die Gegenstände darin herausfinden. Eine gewisse Toleranz gegen blaue Flecke vorausgesetzt. Wir haben so einen Sinn, aber er ist nicht besonders präzise.



    Schau mal, wie schön die drei Bogengänge den drei räumlichen Dimensionen entsprechen. Lebten wir in einer räumlich zwei- oder vierdimensionalen Welt, könnten wir zwei oder vier Bogengänge bewundern.


Oben sagte ich, daß ich inzwischen ahne, warum wir aneinander vorbei reden. Für dich ist das keine Erkenntnis, wenn die Bogengänge diese Form annehmen. Erkenntnis ist für dich nur, was im Kopf eines formalen Denkers passiert.

Ich werde versuchen, das noch ausführlicher zu sagen.


Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Dass Helligkeit nicht als a priori sinnlicher Wahrnehmung schlechthin taugt, kann man daran sehen, dass sie für alle anderen Sinne keine Rolle spielt.

Kommt drauf an, wie weit du dich von deiner intuitiven Vorstellung von Helligkeit lösen willst.

Helligkeit ist Licht. Licht sind Photonen. Photonen übertragen elektromagnetische Kräfte zwischen Dingen. Insofern ist Helligkeit tatsächlich ein ziemliches apriori für die Welt, wie wir sie kennen.

Ich gebe zu, das ist etwas weit hergeholt. Andererseits: ein Kant, der heute lebte und noch genauso falsch wie damals argumentierte, der würde nicht Raum und Zeit als apriori-Konzepte ansehen, sondern womöglich Bosonen und Fermionen.
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Tarvoc
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Beitrag(#1951599) Verfasst am: 20.09.2014, 02:43    Titel: Antworten mit Zitat

smallie hat folgendes geschrieben:
Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Äh, wie? Das ist keine logische Voraussetzung neuer Erkenntnisse, sondern eine kausale. Ist dir der Unterschied klar?

Wenn du unterschieden hättest zwischen logischer Voraussetzung und faktischer Voraussetzung, hätte ich angenommen, dich zu verstehen.

Von mir aus auch faktisch. In diesem Kontext kommt es darauf nur bedingt an.

smallie hat folgendes geschrieben:
Smodes Zitat zeigt recht schön, daß Kant über technische Apparaturen nicht nachgedacht hat.

Ja, sicher. Was ich von dir wollte, war, dass du erläuterst, inwiefern das deiner Ansicht nach Kants Erkenntnistheorie problematisch werden lässt. Step hat sich zu dieser Frage geäußert und wir haben daraufhin einen konstruktiven Diskurs darüber geführt. Du wirfst das nur in den Raum und verweigerst jede Erklärung, an die man anknüpfen könnte. Unter anderem deshalb finde ich deinen Stil so enorm nervig und den von Step sehr viel angenehmer. Bei Step hat man nie das Gefühl, dass er seinen Gesprächspartner nicht ernst nimmt. Bei deinen Beiträgen kommt es mir immer mal wieder so vor als würdest du mich die ganze Zeit nur verarschen. Dass das extrem frustrierend ist, siehst du ein?

smallie hat folgendes geschrieben:
Da steht in meiner Sprache, ich könne keinen interessanten Gedanken hervorbringen.

Nein, da steht, dass ich nicht glaube, dass sich Lorenz und Vollmer für deine Ideen interessieren. Mein nachfolgender Satz, dass das bei Lorenz schon deshalb ausscheidet, weil er tot ist, sollte eigentlich deutlich gemacht haben, wie das gemeint war.

smallie hat folgendes geschrieben:
Da steht ich würde nur nachplappern.

Wieso denn "nur"? Das bezog sich spezifisch auf deine Anführung von Lorenz und Vollmer als Autoritäten. Ich dachte, das sei erkennbar gewesen. Tut mir Leid, dass das falsch rüberkam.

smallie hat folgendes geschrieben:
Die Anschauung von Raum und Zeit - was sind die Vorraussetzungen dafür?

Um die Anschauung von Raum und Zeit zu erwerben, braucht es Sinne, die Raum und Zeit erfahrbar machen.

Auch Kant geht davon aus, dass man ohne Sinne keine Anschauung von Raum und Zeit habe, aber nach Kant sind alle Sinneswahrnehmungen immer räumlich und zeitlich. Man erwirbt also Anschauungen von Raum und Zeit nicht durch bestimmte Sinneserfahrungen. Insofern man Sinneserfahrungen hat, sind diese immer schon räumlich und zeitlich. Und zwar gilt das nach Kant für alle Sinne.

smallie hat folgendes geschrieben:
Ein Magnetsinn, wie Vögel ihn haben. Für eine fein aufgelöste Wahrnehmung des Raumes vermutlich zu grob.

Kant sagt ja auch nicht, dass eine "fein aufgelöste Wahrnehmung des Raumes" a priori sei, sondern dass Raum als Anschauungsform a priori sei. Dass verschiedene Sinne auch verschiedene Raumwahrnehmungen hervorbringen, ist ja gut möglich (obwohl Kant wohl auch das nicht auf dem Schirm hatte). Aber es kann nach Kant keine Sinneswahrnehmung geben, die überhaupt nicht räumlich wäre. Bzw. wenn Kant Recht hat, können wir uns noch nicht mal sinnvoll vorstellen, wie das überhaupt auszusehen hätte. Der Tastsinn beispielsweise ist in dem Sinne räumlich, dass wir räumlich merken, wo uns etwas berührt. Oder wolltest du z.B. bestreiten, dass auch ein von Geburt an Blinder eine Raumvorstellung entwickelt, wenn auch womöglich eine andere als unsere? Auf ein Beispiel für eine Sinneswahrnehmung, die in gar keinem Sinne räumlich ist, wäre ich gespannt.

smallie hat folgendes geschrieben:
Oben sagte ich, daß ich inzwischen ahne, warum wir aneinander vorbei reden. Für dich ist das keine Erkenntnis, wenn die Bogengänge diese Form annehmen. Erkenntnis ist für dich nur, was im Kopf eines formalen Denkers passiert.

Nicht "im Kopf", sondern in der (empirischen, wissenschaftlichen) Theorie. Wenn Kant im hier relevanten Sinne von Erkenntnis spricht, meint er immer theoretische Erkenntnis, bzw. in seinen Worten Vernunfterkenntnis.

Und ja, das Wachstum des Schneckenhauses ist für Kant in der Tat kein Beispiel für Erkenntnis im hier relevanten Sinne. Unsere Wahrnehmung und unsere Theorien über dieses Wachstum hingegen schon. Und Kant trennt das strikt.

Es geht hier auch nicht so sehr darum, was ich persönlich dazu denke. Ich hab's schon gesagt, ich bin kein Kantianer. Ich versuche hier, Leuten, die Kant nicht gelesen haben, ihn soweit verständlich zu machen, dass sie den Teil ihrer Kritik, der im Grundsatz berechtigt ist, vernünftig ausarbeiten, und den Teil, der unberechtigt ist, verwerfen können. Ich präsentiere hier daher nicht so sehr meine eigene Position (zu einigen dieser Fragen habe ich noch gar keine ausgearbeitete eigene Position), sondern mein Verständnis der Position Kants.

smallie hat folgendes geschrieben:
Helligkeit ist Licht. Licht sind Photonen. Photonen übertragen elektromagnetische Kräfte zwischen Dingen. Insofern ist Helligkeit tatsächlich ein ziemliches apriori für die Welt, wie wir sie kennen.

Sorry, dieses insofern verstehe ich nicht. Es geht hier ja darum, ob Helligkeit ein a priori (also eine logische Voraussetzung) der Anschauung ist. Und das lässt sich eben nur über das Sehen sagen.
Licht mag ja eine faktische Voraussetzung des Hörens oder Riechens sein, aber es ist keine logische Voraussetzung.
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Zumsel
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Beitrag(#1951646) Verfasst am: 20.09.2014, 11:10    Titel: Re: Wenn für das Licht die Zeit still steht .... Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Ich meinte natürlich nicht, daß sich die Wahrnehmung insgesamt erledigt hätte, sondern nur die intuitive Wahrnehmung, für die Kants Kategorien möglicherweise sinnvoll sind.


Nur zur Klarstellung: Für die Wahrnehmung sind bei Kant nicht die Kategorien, sondern ausschließlich die Anschauungsformen notwendig. Durch sie wird der Anschauung ein "Mannigfaltiges" gegeben, was dann durch den Verstand und seine Kategorien zueinander in Beziehung und unter Regeln gebracht wird.

smallie hat folgendes geschrieben:
Apropos: Anschauung und reine Anschauung Das würde mich interessieren, was das ist. Hat es was mit empirischer vs. formaler Erkenntnis zu tun?


Reine Anschauung ist Anschauung ohne empirischen Inhalt. Sie ist aber keine Kategorie, unter der etwas Gegebenes subsumiert wird, sondern die Form, in der empirische Anschauungen gegeben werden.

smallie hat folgendes geschrieben:
Kant ist derjenige, der den Ball in die Hand nimmt. nee


Der darf das aber, so ähnlich wie schon dieser Herr K. hier:

http://www.youtube.com/watch?v=j8JnoICuF5U

Im Ernst. Die Grundsatzfrage bei einer Diskussion über die transzendentale Ästhetik ist, ob es synthetische Urteile a priori gibt oder nicht. Wenn man hier zu einem anderen Ergebnis als Kant kommt, braucht man gar nicht weiterzudiskutieren.
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Kival
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Beitrag(#1951692) Verfasst am: 20.09.2014, 14:31    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Auf ein Beispiel für eine Sinneswahrnehmung, die in gar keinem Sinne räumlich ist, wäre ich gespannt.


Im ersten Moment würde ich bezweifeln, dass Riechen *per se* immer räumlich ist. Ja, man kann versuchen, Geruch zu verorten, aber ich würde meine Geruchswahrnehmung nicht per se als räumlich betrachten. Da habe ich vorher allerdings nicht wirklich darüber nachgedacht, aber wo ich das gerade las, musste ich stutzen.
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Tarvoc
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Beitrag(#1951700) Verfasst am: 20.09.2014, 15:15    Titel: Antworten mit Zitat

Interessant. Ja, ich würde sagen, riechen noch am ehesten. Allerdings kann man sich auch anhand des Geruchs in begrenztem Maße räumlich orientieren, etwa von üblen Gerüchen weg.
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Zumsel
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Beitrag(#1951703) Verfasst am: 20.09.2014, 15:36    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Interessant. Ja, ich würde sagen, riechen noch am ehesten. Allerdings kann man sich auch anhand des Geruchs in begrenztem Maße räumlich orientieren, etwa von üblen Gerüchen weg.


Der Punkt ist, dass nur durch die Vorstellung des Raumes die Vorstellung eines Außen denkbar ist. Ohne diese Vorstellung wäre die Riechwahrnehmung nämlich gar keine Erfahrung der Sinnlichkeit sondern ein bloßer Bewusstseinszustand.
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Beitrag(#1951722) Verfasst am: 20.09.2014, 16:37    Titel: Antworten mit Zitat

Zumsel hat folgendes geschrieben:
Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Interessant. Ja, ich würde sagen, riechen noch am ehesten. Allerdings kann man sich auch anhand des Geruchs in begrenztem Maße räumlich orientieren, etwa von üblen Gerüchen weg.


Der Punkt ist, dass nur durch die Vorstellung des Raumes die Vorstellung eines Außen denkbar ist. Ohne diese Vorstellung wäre die Riechwahrnehmung nämlich gar keine Erfahrung der Sinnlichkeit sondern ein bloßer Bewusstseinszustand.


Aber ist nicht gerade das bei Geruch oft der Fall? Es ist schon viele Jahre her, dass ich Kants Kritik der reinen Vernunft gelesen habe und ich finde seine Sprache auch ehrlich gesagt zu unerträglich, um mir das nochmal komplett anzutun. Ich stimme zu, dass Wahrnehmung voraussetzt, dass man Dinge als *äußerlich* wahrnehmen kann, aber Kants Anschauungsform des Raums geht doch etwas weiter, oder?
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Zumsel
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Beitrag(#1951733) Verfasst am: 20.09.2014, 17:37    Titel: Antworten mit Zitat

Kival hat folgendes geschrieben:
Zumsel hat folgendes geschrieben:
Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Interessant. Ja, ich würde sagen, riechen noch am ehesten. Allerdings kann man sich auch anhand des Geruchs in begrenztem Maße räumlich orientieren, etwa von üblen Gerüchen weg.


Der Punkt ist, dass nur durch die Vorstellung des Raumes die Vorstellung eines Außen denkbar ist. Ohne diese Vorstellung wäre die Riechwahrnehmung nämlich gar keine Erfahrung der Sinnlichkeit sondern ein bloßer Bewusstseinszustand.


Aber ist nicht gerade das bei Geruch oft der Fall? Es ist schon viele Jahre her, dass ich Kants Kritik der reinen Vernunft gelesen habe und ich finde seine Sprache auch ehrlich gesagt zu unerträglich, um mir das nochmal komplett anzutun. Ich stimme zu, dass Wahrnehmung voraussetzt, dass man Dinge als *äußerlich* wahrnehmen kann, aber Kants Anschauungsform des Raums geht doch etwas weiter, oder?


Wesentlich ist aus meiner Sicht:

1. Die Vorstellungen von Raum und Zeit werden nicht aus empirischer Anschauung gewonnen.
2. Es gibt keine empirische Erfahrung ohne die Vorstellungen von Raum und Zeit, weil es uns nicht möglich ist, uns ohne diese Vorstellungen ins Verhältnis zur Welt zu setzen.
3. Raum und Zeit sind keine Begriffe, sondern selber (reine) Anschauungen
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smallie
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Beitrag(#1951803) Verfasst am: 20.09.2014, 23:39    Titel: Re: Wenn für das Licht die Zeit still steht .... Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:
Das Falsche wird nicht richtiger, wenn ich mir die Begriffe dahinter ansehe. Sollte jemand sagen: Hier! die Quadratur des Kreises! dann brauche ich mir seine Begriffe auch nicht näher ansehen, außer ich hätte ein historisches Interesse an dem Denkfehler.

Aha. Mit anderen Worten: Du musst eine Aussage nicht verstehen, um beurteilen zu können, ob sie richtig oder falsch ist.

Wenn das dein allgemeines Vorgehen ist, erklärt das allerdings einiges.

Sinnentstellendes Zitat korrigiert und markiert.


Tarvoc hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:
Smodes Zitat zeigt recht schön, daß Kant über technische Apparaturen nicht nachgedacht hat.
Smode hat folgendes geschrieben:
http://de.wikipedia.org/wiki/Skeptizismus

Zitat:
Immanuel Kant
Alles auf menschlicher Erfahrung basierende uneigentliche "Vermutungswissen" basiert hingegen nur auf verallgemeinernden Vermutungen, die nicht immer zuverlässig seien, weil sie durch mangelnde oder eingeschränkte Erfahrung sowie durch die beschränkten Fähigkeiten der Sinnesorgane des Menschen mitbestimmt werden.

Die beschränkten Sinnesorgane sind es eben nicht. Deshalb bauen wir Teleskope, Mikroskope und Beschleuniger. Das hat so manches in den Bereich unserer Erfahrung gebracht. Außerhalb unserer Erfahrung ist, wenn der Blick ins All durch ein Teleskop auf einen Urknall-Ereignishorizont trifft. Oder wenn uns die technischen oder finanziellen Mittel fehlen, um einen Beschleuniger zu bauen, der genügend Wumms hat, um die weitere hypothetische Grundbausteine der Materie zu erforschen.

Ja, sicher. Was ich von dir wollte, war, dass du erläuterst, inwiefern das deiner Ansicht nach Kants Erkenntnistheorie problematisch werden lässt. Step hat sich zu dieser Frage geäußert und wir haben daraufhin einen konstruktiven Diskurs darüber geführt. Du wirfst das nur in den Raum und verweigerst jede Erklärung, an die man anknüpfen könnte.

Geschnippten Absatz wieder hergestellt und markiert.


Meinetwegen. Zweiter Versuch, vielleicht ist es so verständlicher:

Kant hat selbst durch Teleskope geschaut und Dinge gesehen, die mit nacktem Augen unsichtbar sind. Darum darf er nicht "die beschränkten Fähigkeiten der Sinnesorgane" schreiben. Richtig wäre "die beschränkten Fähigkeiten von Sinnesorganen + Instrumenten". Kants Formulierung widerspricht seiner eigenen Forschungstätigkeit. Autsch.


Deiner Antwort zu step muß ich auch widersprechen.
Zitat:

step hat folgendes geschrieben:
Tarvoc hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Die Logik der Wahrnehmung bzw. die Wahrnehmung selbst hat sich allerdings insofern selbst erledigt, als sie in bezug auf moderne Physik falsche Resultate liefert.
Die Frage ist ja: Wenn das der Fall ist, wie können dann die Theorien der modernen Physik überhaupt noch empirisch (also gerade durch Wahrnehmung) überprüfbare Voraussagen liefern?

Ich meinte natürlich nicht, daß sich die Wahrnehmung insgesamt erledigt hätte, sondern nur die intuitive Wahrnehmung, für die Kants Kategorien möglicherweise sinnvoll sind.

Man ersetzt diese intuitive Wahrnehmung durch Messungen, so daß die intuitive Wahrnehmung nur noch die Endstufe betrifft (z.B. Zeiger ablesen), wo sie sich als zumindest einigermaßen verläßlich erwiesen hat. Gleichzeitig versucht man, mögliche systematische Fehler in den Meßgeräten durch unabhängige Messungen auszuschließen. Dabei verläßt man sich auf Verfahren, die sich bereits zuvor als verläßlich erwiesen haben, so daß letztlich ein Gebäude aufeinander aufbauender Verfahren entsteht.


Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Ja. Solche Verfahren der stufenweisen Stützung kennt Kant noch nicht. Mindestens in der Hinsicht bleibt er noch im Rahmen der klassischen Metaphysik.


Falsch. Natürlich kannte Kant das. Es wurde zu seiner Zeit schon länger so gemacht.

Ein schönes und bedeutendes Beispiel aus dem Jahr 1577: Aristoteles hatte angenommen, Kometen seien atmosphärische Erscheinungen. Brahe vergleich seine Positionsbestimmung des Kometen mit einer aus Prag. So konnte er zeigen, daß sich der Komet jenseits des Mondes befand.


Francis Bacon hatte ich bereits erwähnt. Hier einer seiner Vorläufer:

Zitat:
Al-Biruni (um 1020)

Al-Birunis Methoden ähnelten der modernen Wissenschaftlichen Methode, besonders bei seiner Betonung wiederholten Experimentierens. Birunis Anliegen war die Beschreibung und Verhinderung systematischer und zufälliger Fehler wie zum Beispiel: "Fehler, die aus dem Gebrauch kleiner Instrumente stammten und Fehler, die von menschlichen Beobachtern gemacht wurden." Seine Behauptung war diese: wenn Instrumente Fehler erzeugen aufgrund ihrer Unregelmäßigkeiten und ihren speziellen Eigenschaften, dann müßen Beobachtungen mehrfach gemacht und qualitativ analysiert werden, um auf dieser Basis zu einem "vernüftigen einzelnen Wert für die gesuchte Größe zu gelangen, sei es ein arithmetisches Mittel oder eine verlässliche Schätzung." In seiner Wisschenschaftlichen Methode kamen "Universalien aus praktischer, experimenteller Arbeit" und "die Theorien werden nach den Entdeckungen formuliert", wie bei den Induktivisten.

Zitat:
Al-Biruni's methods resembled the modern scientific method, particularly in his emphasis on repeated experimentation. Biruni was concerned with how to conceptualize and prevent both systematic errors and observational biases, such as "errors caused by the use of small instruments and errors made by human observers." He argued that if instruments produce errors because of their imperfections or idiosyncratic qualities, then multiple observations must be taken, analyzed qualitatively, and on this basis, arrive at a "common-sense single value for the constant sought", whether an arithmetic mean or a "reliable estimate."[28] In his scientific method, "universals came out of practical, experimental work" and "theories are formulated after discoveries", as with inductivism

http://en.wikipedia.org/wiki/History_of_scientific_method




Tarvoc hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:
Die Anschauung von Raum und Zeit - was sind die Vorraussetzungen dafür?

Um die Anschauung von Raum und Zeit zu erwerben, braucht es Sinne, die Raum und Zeit erfahrbar machen.

Auch Kant geht davon aus, dass man ohne Sinne keine Anschauung von Raum und Zeit habe, aber nach Kant sind alle Sinneswahrnehmungen immer räumlich und zeitlich. Man erwirbt also Anschauungen von Raum und Zeit nicht durch bestimmte Sinneserfahrungen. Insofern man Sinneserfahrungen hat, sind diese immer schon räumlich und zeitlich. Und zwar gilt das nach Kant für alle Sinne.

Sinneserfahrungen sind immer zeitlich? Kann mindestens zweierlei bedeuten:

1) Ohne Zeit bleibt die Welt ereignislos. Sie wäre statisch. Sinneswahrnehmungen wären unmöglich. So wäre es richtig. Aber trivial. War das wirklich Kants Argumentation?

2) "Jede Sinneserfahrung ruft ein Zeitgefühl hervor" Das wäre falsch.


Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Dass verschiedene Sinne auch verschiedene Raumwahrnehmungen hervorbringen, ist ja gut möglich (obwohl Kant wohl auch das nicht auf dem Schirm hatte). Aber es kann nach Kant keine Sinneswahrnehmung geben, die überhaupt nicht räumlich wäre. Bzw. wenn Kant Recht hat, können wir uns noch nicht mal sinnvoll vorstellen, wie das überhaupt auszusehen hätte. Der Tastsinn beispielsweise ist in dem Sinne räumlich, dass wir räumlich merken, wo uns etwas berührt. Oder wolltest du z.B. bestreiten, dass auch ein von Geburt an Blinder eine Raumvorstellung entwickelt, wenn auch womöglich eine andere als unsere? Auf ein Beispiel für eine Sinneswahrnehmung, die in gar keinem Sinne räumlich ist, wäre ich gespannt.

Riechen war schon nahe dran. Daumen hoch!

Zitat:
Quorum sensing

Als Quorum sensing wird die Fähigkeit von Einzellern bezeichnet, über chemische Kommunikation die Zelldichte der Population messen zu können. Sie erlaubt es den Zellen einer Suspension, bestimmte Gene nur dann zu aktivieren, wenn eine bestimmte Zelldichte über- oder unterschritten wird.

http://de.wikipedia.org/wiki/Quorum_sensing



Tarvoc hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:
Oben sagte ich, daß ich inzwischen ahne, warum wir aneinander vorbei reden. Für dich ist das keine Erkenntnis, wenn die Bogengänge diese Form annehmen. Erkenntnis ist für dich nur, was im Kopf eines formalen Denkers passiert.

Nicht "im Kopf", sondern in der (empirischen, wissenschaftlichen) Theorie. Wenn Kant im hier relevanten Sinne von Erkenntnis spricht, meint er immer theoretische Erkenntnis, bzw. in seinen Worten Vernunfterkenntnis.

Und ja, das Wachstum des Schneckenhauses ist für Kant in der Tat kein Beispiel für Erkenntnis im hier relevanten Sinne. Unsere Wahrnehmung und unsere Theorien über dieses Wachstum hingegen schon. Und Kant trennt das strikt.

Und weil er das strikt trennt, verliert er den Boden unter den Füßen. Seine Ideen hängen in der Luft, treffend dargestellt durch die Wölkchen in Smodes Schaubild vor etlichen Seiten.

Ich melde übrigens Uneinigkeit über den "hier relevanten Sinn" an. Relevant ist eine Erkenntnistheorie, die etwas erklärt. Außerdem, um in sauberen Begriffen zu sprechen, hatte Kant nur eine Erkenntnishypothese.


Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Ich präsentiere hier daher nicht so sehr meine eigene Position (zu einigen dieser Fragen habe ich noch gar keine ausgearbeitete eigene Position), sondern mein Verständnis der Position Kants.

Zitate fände ich hilfreicher.


Tarvoc hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:
Helligkeit ist Licht. Licht sind Photonen. Photonen übertragen elektromagnetische Kräfte zwischen Dingen. Insofern ist Helligkeit tatsächlich ein ziemliches apriori für die Welt, wie wir sie kennen.

Sorry, dieses insofern verstehe ich nicht. Es geht hier ja darum, ob Helligkeit ein a priori (also eine logische Voraussetzung) der Anschauung ist. Und das lässt sich eben nur über das Sehen sagen.
Licht mag ja eine faktische Voraussetzung des Hörens oder Riechens sein, aber es ist keine logische Voraussetzung.

Tarvoc, ohne Licht, ohne Photonen gäbe es die Welt wie wir sie kennen nicht.

Ohne Licht wäre kein Leben auf der Erde möglich. Ohne Licht könnte das heiße Gas in einem Stern seine Wärme nicht loswerden. Gäbe es keine Photonen, dann würde die Sonne heißer und heißer werden. Aber keine Sorge, denn: Ohne Photonen gäbe es keine Sonnen wie wir sie kennen. Bei der Kernfusion entstehen Photonen. Ohne Photonen gäbe es wohl auch keine Kernfusion. etc. pp.

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Beitrag(#1951817) Verfasst am: 21.09.2014, 03:18    Titel: Re: Wenn für das Licht die Zeit still steht .... Antworten mit Zitat

smallie hat folgendes geschrieben:
Zitate fände ich hilfreicher.

Und ich fände es hilfreicher, Positionen, mit denen man sich kritisch auseinandersetzt, auch selbst zu lesen.

Da du anscheinend nicht bereit bist, über das nachzudenken, was ich zu deinem Diskussionsverhalten geschrieben habe, beende ich hier erstmal diese Diskussion mit dir - obwohl du noch einige inhaltlich interessante Punkte angesprochen hast.
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Zuletzt bearbeitet von Tarvoc am 21.09.2014, 03:27, insgesamt 2-mal bearbeitet
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Kival
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Beitrag(#1951818) Verfasst am: 21.09.2014, 03:25    Titel: Re: Wenn für das Licht die Zeit still steht .... Antworten mit Zitat

smallie hat folgendes geschrieben:

Kant hat selbst durch Teleskope geschaut und Dinge gesehen, die mit nacktem Augen unsichtbar sind. Darum darf er nicht "die beschränkten Fähigkeiten der Sinnesorgane" schreiben. Richtig wäre "die beschränkten Fähigkeiten von Sinnesorganen + Instrumenten". Kants Formulierung widerspricht seiner eigenen Forschungstätigkeit. Autsch.


Das Teleskop ist aber keine qualitative Erweiterung der sinnlichen Wahrnehmung. Ich würde sogar stark bezweifeln, dass Kant da nicht sogar drauf eingegangen ist in Ansätzen, aber auf die Schnelle finde ich keine Stelle. Ansonsten halte ich die Wikipediabeschreibung auch für irreführend. Kant hat sich in erster Linie zumindest nicht für die genauen Fähigkeiten wie bspw. das Auflösungsvermögen des menschlichen Auges (also der Sinnes*organe*) interessiert, sondern dafür, was *logische* Voraussetzung der Wahrnehmung ist. Nach Kant muss alle Wahrnehmung zeitlich und räumlich sein und insofern ist die Erkenntnisfähigkeit des Menschen zwangsläufig und notwendigerweise auf eben Zeitlichkeit und Räumlichkeit angeweisen und das wird nicht durch Teleskop ja-oder-nein beeinflusst.

Zitat:
Tarvoc, ohne Licht, ohne Photonen gäbe es die Welt wie wir sie kennen nicht.

Ohne Licht wäre kein Leben auf der Erde möglich. Ohne Licht könnte das heiße Gas in einem Stern seine Wärme nicht loswerden. Gäbe es keine Photonen, dann würde die Sonne heißer und heißer werden. Aber keine Sorge, denn: Ohne Photonen gäbe es keine Sonnen wie wir sie kennen. Bei der Kernfusion entstehen Photonen. Ohne Photonen gäbe es wohl auch keine Kernfusion. etc. pp.

Helligkeit, Licht, Photonen - eine logische Voraussetzung für unsere Welt, wie wir sie heute verstehen.


Tarvoc hat hier Recht, du verwechselst faktische mit logischen Voraussetzungen. Man könnte vielleicht schon argumentieren, dass die Fähigkeit in Differenzen zu "denken", also zwischen Hell und Dunkel zu *unterscheiden" eine logische Voraussetzung ist (oder dass Raum und Zeit letztlich auch keine *logischen* Voraussetzungen sind oder dass das Konzept der logischen Voraussetzung schon an-sich problematisch ist oder ... ), aber das würde ein ganz anderes Argument erfordern, als Du es hier lieferst. Du redest an Kant vorbei.
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Kival
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Beitrag(#1951819) Verfasst am: 21.09.2014, 03:34    Titel: Re: Wenn für das Licht die Zeit still steht .... Antworten mit Zitat

smallie hat folgendes geschrieben:

Kant hat selbst durch Teleskope geschaut und Dinge gesehen, die mit nacktem Augen unsichtbar sind. Darum darf er nicht "die beschränkten Fähigkeiten der Sinnesorgane" schreiben. Richtig wäre "die beschränkten Fähigkeiten von Sinnesorganen + Instrumenten". Kants Formulierung widerspricht seiner eigenen Forschungstätigkeit. Autsch.


Das Teleskop ist aber keine qualitative Erweiterung der sinnlichen Wahrnehmung. Ich würde sogar stark bezweifeln, dass Kant da nicht sogar drauf eingegangen ist in Ansätzen, aber auf die Schnelle finde ich keine Stelle. Ansonsten halte ich die Wikipediabeschreibung auch für irreführend. Kant hat sich in erster Linie zumindest nicht für die genauen Fähigkeiten wie bspw. das Auflösungsvermögen des menschlichen Auges (also der Sinnes*organe*) interessiert, sondern dafür, was *logische* Voraussetzung der Wahrnehmung ist. Nach Kant muss alle Wahrnehmung zeitlich und räumlich sein und insofern ist die Erkenntnisfähigkeit des Menschen zwangsläufig und notwendigerweise auf eben Zeitlichkeit und Räumlichkeit angeweisen und das wird nicht durch Teleskop ja-oder-nein beeinflusst.

Zitat:
Tarvoc, ohne Licht, ohne Photonen gäbe es die Welt wie wir sie kennen nicht.

Ohne Licht wäre kein Leben auf der Erde möglich. Ohne Licht könnte das heiße Gas in einem Stern seine Wärme nicht loswerden. Gäbe es keine Photonen, dann würde die Sonne heißer und heißer werden. Aber keine Sorge, denn: Ohne Photonen gäbe es keine Sonnen wie wir sie kennen. Bei der Kernfusion entstehen Photonen. Ohne Photonen gäbe es wohl auch keine Kernfusion. etc. pp.

Helligkeit, Licht, Photonen - eine logische Voraussetzung für unsere Welt, wie wir sie heute verstehen.


Tarvoc hat hier Recht, du verwechselst faktische mit logischen Voraussetzungen. Man könnte vielleicht schon argumentieren, dass die Fähigkeit in Differenzen zu "denken", also zwischen Hell und Dunkel zu *unterscheiden" eine logische Voraussetzung ist (oder dass Raum und Zeit letztlich auch keine *logischen* Voraussetzungen sind oder dass das Konzept der logischen Voraussetzung schon an-sich problematisch ist oder ... ), aber das würde ein ganz anderes Argument erfordern, als Du es hier lieferst. Du redest an Kant vorbei.

Ein stärkeres Argument gegen Kants Idee der notwendigen Zeitlichkeit ist m.E. übrigens ein Rückgriff auf Hume: Es ist *Veränderug* und nicht Zeit, Auffassung und Verständnis von Veränderung als etwas zeitliches wird uns eher nachträglich sprachlich vermittelt. Insgesamt finde ich eine humesche Kritik Kants eigentlich einen spannenderen Ansatz als die Erweiterungen Kants qua evolutionärer Erkenntnistheorie, die meist nicht wirklich Kant widerspricht, sondern ihn erweitert. Irgendwer hat das sicherlich auch schonmal versucht und wie aussichtsreich das letztlich ist, kann ich auf Schnelle auch nicht einschätzen, aber neben konkreten Fakten, die Kants Kategorien und Anschauungsformen zum Teil im Detail in Frage stellen (wie eben die moderne Physik), würde ich das für vielversprechender halten. Eine andere interessante Frage ist, ob bestimmte Trancezustände mit Drogen usw. nicht in gewisser Weise auch nicht-zeitliche Wahrnehmungen hervorrufen.
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Beitrag(#1951820) Verfasst am: 21.09.2014, 04:10    Titel: Re: Wenn für das Licht die Zeit still steht .... Antworten mit Zitat

Kival hat folgendes geschrieben:
Insgesamt finde ich eine humesche Kritik Kants eigentlich einen spannenderen Ansatz als die Erweiterungen Kants qua evolutionärer Erkenntnistheorie, die meist nicht wirklich Kant widerspricht, sondern ihn erweitert.

Fände ich auch nicht uninteressant. Überhaupt hat die englische Philosophie mehr zu bieten als ihr oft zugestanden wird.
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Beitrag(#1951851) Verfasst am: 21.09.2014, 13:49    Titel: Re: Wenn für das Licht die Zeit still steht .... Antworten mit Zitat

Kival hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:

Kant hat selbst durch Teleskope geschaut und Dinge gesehen, die mit nacktem Augen unsichtbar sind. Darum darf er nicht "die beschränkten Fähigkeiten der Sinnesorgane" schreiben. Richtig wäre "die beschränkten Fähigkeiten von Sinnesorganen + Instrumenten". Kants Formulierung widerspricht seiner eigenen Forschungstätigkeit. Autsch.


Das Teleskop ist aber keine qualitative Erweiterung der sinnlichen Wahrnehmung. Ich würde sogar stark bezweifeln, dass Kant da nicht sogar drauf eingegangen ist in Ansätzen, aber auf die Schnelle finde ich keine Stelle.

In meinem PDF finde ich weder Teleskop noch Instrument.

Nebenbei: Experiment taucht weniger als sechs mal auf.


Kival hat folgendes geschrieben:
Kant hat sich in erster Linie zumindest nicht für die genauen Fähigkeiten wie bspw. das Auflösungsvermögen des menschlichen Auges (also der Sinnes*organe*) interessiert, ...

Weiter oben sagte ich, ich wüßte jetzt den Grund, warum wir aneinander vorbei reden - Kant denkt nur an den Menschen. Ein einziger Datenpunkt, um eine Erkenntnistheorie aufzustellen?

Ein kurzer Exkurs in Sachen Sehsinn. Wie sieht ein Frosch die Welt?

    Hoimar von Ditfurth beschrieb in "Der Geist fiel nicht vom Himmel" diesen Versuch. Die Sehmuskeln eines Menschen werden per Injektion gelähmt. Der Kopf wird fixiert. Nach kurzer Zeit sieht der Proband nichts mehr. Der Sehsinn hat seine Arbeit eingestellt, weil er nichts neues mehr sieht. Etwas so, wie auch der Geruchssinn seine Arbeit nach einer Weile einstellt, egal wie sehr ein Raum müffelt. Einen Gegenstand, der vor den Augen der Versuchsperson bewegt wird, sieht sie sehr wohl.

    Grund dafür ist, daß das menschliche Auge ständig Zitterbewegungen ausführt, sogenannte Saccaden. Der Sehsinn rechnet das wohlfeil heraus, so daß es uns nicht auffällt. Aber erst die Saccaden erlauben uns einen stabilen Blick auf die Welt.

    Beim Frosch gibt es diese Saccaden nicht. Der Effekt: ein Insekt, das durch sein Sichtfeld fliegt, hebt sich deutlich hervor. Insekten oder Fressfeinde zu entdecken ist für den Frosch überlebenswichtig. Eine detaillierter und laufend aktualisierter visueller Strom wäre für einen Frosch eher hinderlich und würde zu viel Hirnkapazität binden. Für Lebewesen, die sich durch den dreidimensionalen Raum bewegen, sieht das anders aus. Ein Affe, der sich durchs Geäst schwingt, oder ein Vogel - die brauchen einen gewissen Weitblick.



Zusammengefasst: Frösche werden eine völlig andere "Anschauung" von Raum haben als ein Mensch. Extrembeispiel wäre ein Wurm, der lichtempfindliche Zellen hat und damit hell/dunkel unterscheiden kann. Der Wurm hat vom Raum noch weniger Anschauung als der Frosch.

Kant interessiert das alles nicht, weil er meint sich die Welt aus seiner Logik erschließen zu können.


Kival hat folgendes geschrieben:
... sondern dafür, was *logische* Voraussetzung der Wahrnehmung ist. Nach Kant muss alle Wahrnehmung zeitlich und räumlich sein ...

Du erinnerst dich an das Bild der drei Bogengänge, die in drei Dimensionen senkrecht zueinander standen? Ich sagte, es hätten auch zwei oder vier Dimensionen sein können. Schwupps, schon ist aus der *logischen* Voraussetzung eine empirische geworden.

Sicher, es gibt immer noch Raum. Aber 2D-Raum, 3D-Raum, 4D-Raum würden ganz Unterschiedliches anstellen mit den physikalischen Gesetzen - wie immer eine transdimensional gültige Physik auch aussähe.


Kival hat folgendes geschrieben:
Nach Kant muss alle Wahrnehmung zeitlich und räumlich sein und insofern ist die Erkenntnisfähigkeit des Menschen zwangsläufig und notwendigerweise auf eben Zeitlichkeit und Räumlichkeit angeweisen

Ich machs mal kürzer, damit ich es auch verstehe:
Zitat:
Wahrnehmung muß 3+1D sein
deshalb ist Erkenntnisfähigkeit auf 3+1D angewiesen

Das läßt mich ratlos.


Kival hat folgendes geschrieben:
...und das wird nicht durch Teleskop ja-oder-nein beeinflusst.

Wieso? Das Teleskop beeinflußt die Erkenntnisfähigkeit in 3+1D



Kival hat folgendes geschrieben:
Tarvoc hat hier Recht, du verwechselst faktische mit logischen Voraussetzungen.

Viel schlimmer, viel schlimmer. Ich bestreite in diesem Fall das ganze Konzept.

Diese Unterscheidung zwischen faktischen und logischen Aussagen gibt sich den Anstrich mathematisch/logischer Exaktheit, um als zwingend dazustehen. Die Unterscheidung ist aber nicht zwingend. Wo eine Aussage einzuordnen ist, mußte im Lauf der Wissenschaftsgeschichte mehrmals korrigiert werden.


    - Antike: Mars steht zu der Zeit an einem Ort. Faktische Feststellung.

    - Ptolemäus: Mars bewegt sich auf seiner Bahn. Faktische Feststellung. Mars kann man zu bestimmten Zeiten an bestimmten Orten finden. Logische Feststellung

    - Kepler: Mars bewegt sich auf einer anderen Bahn. Faktische Feststellung. Mars findet man tatsächlich an jenem Ort. Logische Feststellung.

    - Newton: Gravitationsgesetz. Faktische Feststellung. Daraus folgen die Keplerschen Gesetze. Logische Feststellung.


Genaugenommen ändert sich mit jeder akzeptierten oder widerlegten Theorie auch der Status einiger Aussagen.

Hoppla! War das so abgemacht?

Sieht fast so aus:

Zitat:
Kritik der reinen Vernunft

Mathematik und Physik sind die beiden theoretischen Erkenntnisse der Vernunft, welche ihre Objekte a priori bestimmen sollen, die erstere ganz rein, die zweite wenigstens zum Teil rein, denn aber auch nach Maßgabe anderer Erkenntnisquellen als der der Vernunft.

S. 8 )

Die Physik ist teilrein. Aha. Das ist Flickschusterei.

Nochmal Al-Biruni: Universalien kommen aus praktischer, experimenteller Arbeit. Hypothesen werden nach den Entdeckungen formuliert.


Kival hat folgendes geschrieben:
Du redest an Kant vorbei.

Immer noch?
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Zumsel
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Beiträge: 4667

Beitrag(#1951948) Verfasst am: 21.09.2014, 19:52    Titel: Re: Wenn für das Licht die Zeit still steht .... Antworten mit Zitat

Kival hat folgendes geschrieben:
Ein stärkeres Argument gegen Kants Idee der notwendigen Zeitlichkeit ist m.E. übrigens ein Rückgriff auf Hume: Es ist *Veränderug* und nicht Zeit, Auffassung und Verständnis von Veränderung als etwas zeitliches wird uns eher nachträglich sprachlich vermittelt.


Womit natürlich die Frage anklopft, wie man Veränderung ohne die Vorstellung eines Vorher und Nachher wahrnehmen will.

smallie hat folgendes geschrieben:
Kival hat folgendes geschrieben:
Du redest an Kant vorbei.

Immer noch?


Ja, das Problem ist, dass du dich für Kant im Grunde nicht interessierst und auch kein verständnis für erkenntnistheoretische Probleme hast.
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smallie
resistent!?



Anmeldungsdatum: 02.04.2010
Beiträge: 3726

Beitrag(#1951959) Verfasst am: 21.09.2014, 21:06    Titel: Re: Wenn für das Licht die Zeit still steht .... Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:
Zitate fände ich hilfreicher.

Und ich fände es hilfreicher, Positionen, mit denen man sich kritisch auseinandersetzt, auch selbst zu lesen.

Positionen. Das ist das Schlüsselwort. In unserer Debatte gibt es drei Positionen: Kants, deine und meine.

Die Position Kants ist in den tausend Seiten der Kritik der reinen Vernunft festgehalten. Über den Inhalt muß sich jeder, der mitreden will, einen Überblick verschaffen. Gar kein Zweifel.

Zwei Kommunikationsstrategien:

    1) Ich sage: bla, bla, bei Kant ist das so und so. Du sagst: bla, bla, bei Kant ist es dieses und jenes.
    2) Ich sage: bla, bla, das hat Kant auf Seite 365 oben gesagt. Du sagst: bla, bla. Stimmt doch nicht lies mal 756 unten.

Machen wir einen Kostenplan. Um das bla, bla zu verstehen, braucht es diese Hypothesen:

    1) ob ich dich richtig verstehe, ob du Kant richtig verstehst und ob ich Kant so verstehe wie du. Und vice verca.
    2) ob ich dich richtig verstehe, ob du Kant richtig verstehst. Und vice verca.


Fall 2) ist kürzer und deshalb die bessere Kommunikationsstrategie. Ob wir Kant gleich verstehen, ist durch Vergleich unserer Erläuterungen zum jeweiligen Zitat leicht überprüfbar.

Deshalb ist es hilfreich, wenn du die Zitate, auf die du dich berufst, gleich mitlieferst.



Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Da du anscheinend nicht bereit bist, über das nachzudenken, was ich zu deinem Diskussionsverhalten geschrieben habe, ...

Du findest es ungehörig, wenn ich sage: "Originalzitate wären hilfreich" ? Ist das dein Indiz, daß ich nicht nachdenken will?

Ich hatte gestern eine Antwort vorbereitet, aber zum Abschicken war's mir zu spät. Der Diskussionsverlauf aus meiner Sicht:

Zitat:

smallie: Kants Anschauungsproblem ist relevant für diesen Thread. Darwin kann das Problem erklären.
Tarvoc:Das ist doch Unsinn.
smallie: bla, Beispiel, bla, Beispiel
Tarvoc: ? bla, bla. Saudumm.
smallie: bla, Beispiel, bla, Beispiel
Tarvoc & smallie: Pillepalle Motzen Duell fool

smallie an Zumsel: ich weiß nicht, wie Kant mir bei meinem erkenntnistheoretischen Progamm weiterhelfen kann.
Tarvoc: meinst du, daß interessiere jemanden außer dir.
smallie: Hehe. Lorenz, Campbell und Vollmer hat's auch interessiert.
Tarvoc: die ham sich aber nicht für dich interessiert


Ich persönlich würde nie sagen: "das ist uninteressant, was du schreibst". Uninteressantes ignoriere ich einfach. Sollte ich es doch notwendig finden, mein Desinteresse kundzutun, dann stünden Argumente dabei.

Wenn dich die moderne Erkenntnistheorie nicht interessiert - deine Sache. Aber nenn' meine Argumente und Beispiele bitte nicht saudumm, wenn du sie nicht mal als Elemente dieser Theorie erkennst.


Zitat:
Bei deinen Beiträgen kommt es mir immer mal wieder so vor als würdest du mich die ganze Zeit nur verarschen. Dass das extrem frustrierend ist, siehst du ein?

Kommt drauf an, ob du mit verarschen "auf-die-Schippe-nehmen" meinst, oder eher "an-der-Nase-herumführen".


Tarvoc hat folgendes geschrieben:
beende ich hier erstmal diese Diskussion mit dir

Kurzes, persönliches Fazit. Einiges habe ich gelernt.

Ein- zweimal habe ich die Philosophie pauschal verunglimpft. Das geht natürlich gar nicht. Da muß ich mich an die eigene Nase packen, warum mich das Thema so aufbringt. Was Religion betrifft, habe ich pauschales Haudrauf ablegen können. Irgendwann lerne ich es bei der Philosophie auch. Gut möglich, daß dieser Thread dafür reicht.
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Tarvoc
would prefer not to.



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Beiträge: 44648

Beitrag(#1951973) Verfasst am: 21.09.2014, 22:11    Titel: Antworten mit Zitat

smallie hat folgendes geschrieben:
Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Bei Step hat man nie das Gefühl, dass er seinen Gesprächspartner nicht ernst nimmt. Bei deinen Beiträgen kommt es mir immer mal wieder so vor als würdest du mich die ganze Zeit nur verarschen. Dass das extrem frustrierend ist, siehst du ein?

Kommt drauf an, ob du mit verarschen "auf-die-Schippe-nehmen" meinst, oder eher "an-der-Nase-herumführen".

Das ist irgendwie selbst wieder ein schönes Beispiel. Als ob ich nur einen Satz vorher nicht bereits ganz genau geschrieben hätte, was ich mit verarschen meine. Dass ich hier nicht durchgehend freundlich war, gebe ich zu. Lies dir doch nochmal durch, was ich so zu deinem Stil geschrieben habe, vielleicht verstehst du dann ja etwas besser, warum ich immer wieder ungehalten geworden bin. Wenn nicht, schade, aber nicht mehr mein Problem. Ich lass mich jedenfalls nicht mehr von dir provozieren.
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"Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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