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Gegenwind gegen Faschismus
Anmeldungsdatum: 23.11.2007 Beiträge: 386
Wohnort: heutehiermorgendort
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(#916463) Verfasst am: 23.01.2008, 00:55 Titel: Kommt der Idealismus aus der Mode? |
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Vorab stelle ich fest, daß es im Forum Uneinigkeit über die Definition von „Idealismus“ zu geben scheint.
Begrifflich ist „Idealismus“ mit „Idee“ gleichzusetzen:
Die eigentliche Wirklichkeit ist immer die „Idee“ - was wir wahrnehmen, ist lediglich ein Abbild davon.
Außerdem ist meiner Ansicht nach Idealismus von Uneigennützigkeit geprägt.
Hätte es niemals Idealisten gegeben, dann würden wir in einer unmenschlichen asozialen Steinzeit-Bourgeoisie dahinvegetieren, umgeben von Egozentrikern und Materialismus-Anbetern. Grauenhafte Vorstellung.
Gelegentlich werden Idealisten mit Ideologen, Dogmatikern oder Fundamentalisten verwechselt.
Ich behaupte, daß Idealismus in unserer kapitalistischen Ellbogengesellschaft immer mehr aus der Mode kommt - mit fatalen Folgen:
Idealisten, die sich für eine bessere Welt einsetzen, werden als Spinner abqualifiziert und ausgegrenzt.
Diese Entwicklung ist bestens dazu geeignet, daß die Menschheit sich selber ausrottet.
_________________ „Protest ist, wenn ich sage, das und das paßt mir nicht.
Widerstand ist, wenn ich dafür sorge, daß das, was mir nicht paßt, nicht mehr geschieht.
Protest ist, wenn ich sage, ich mache nicht mehr mit.
Widerstand ist, wenn ich dafür sorge, daß alle anderen auch nicht mehr mitmachen.“
(Zitat einer bekannten Gesellschaftskritikerin)
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schabernick it's me
Anmeldungsdatum: 06.02.2007 Beiträge: 595
Wohnort: neben der Kapp'
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(#916475) Verfasst am: 23.01.2008, 01:32 Titel: |
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Kurzer Erklärungsversuch in wenigen, meinen, Worten:
Ein Idealist stellt seine Idee über sich selbst,
ein Ideologe die Idee über andere.
_________________ Halt den Globus an, ich will aussteigen
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Gegenwind gegen Faschismus
Anmeldungsdatum: 23.11.2007 Beiträge: 386
Wohnort: heutehiermorgendort
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(#916484) Verfasst am: 23.01.2008, 01:46 Titel: |
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Volle Zustimmung!!!
_________________ „Protest ist, wenn ich sage, das und das paßt mir nicht.
Widerstand ist, wenn ich dafür sorge, daß das, was mir nicht paßt, nicht mehr geschieht.
Protest ist, wenn ich sage, ich mache nicht mehr mit.
Widerstand ist, wenn ich dafür sorge, daß alle anderen auch nicht mehr mitmachen.“
(Zitat einer bekannten Gesellschaftskritikerin)
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Sermon panta rhei
Anmeldungsdatum: 16.07.2003 Beiträge: 18430
Wohnort: Sine Nomine
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(#916488) Verfasst am: 23.01.2008, 01:57 Titel: Re: Kommt der Idealismus aus der Mode? |
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Gegenwind hat folgendes geschrieben: | Vorab stelle ich fest, daß es im Forum Uneinigkeit über die Definition von „Idealismus“ zu geben scheint. |
Jedenfalls habe ich eine ganz andere als Du:
http://freigeisterhaus.de/viewtopic.php?p=438823#438823
_________________ "Der Typ hat halt so seine Marotten" (Sermon über Sermon)
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nocquae diskriminiert nazis
Anmeldungsdatum: 16.07.2003 Beiträge: 18183
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(#916500) Verfasst am: 23.01.2008, 02:50 Titel: |
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Ich verstehe - konträr zur sich zunehmend einbürgernden Verwendung von "Idealist" als svw. Phantast oder Utopist - Idealismus in seiner ursprünglichen Bedeutung: nämlich als Gegensatz zum Materialismus.
Insofern hoffe ich sehr, dass der Idealismus endlich mal langsam von seinem sich zunehmend verschlimmernden Zustand und den Todeszuckungen, in denen er schon seit so langer Zeit liegt, erlöst wird, die kurzen Beine in die Luft streckt und sanft entschlummert.
_________________ In Deutschland gilt derjenige, der auf den Schmutz hinweist, als viel gefährlicher, als derjenige, der den Schmutz macht.
-- Kurt Tucholsky
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#916536) Verfasst am: 23.01.2008, 09:58 Titel: |
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NOCQUAE hat folgendes geschrieben: | Ich verstehe - konträr zur sich zunehmend einbürgernden Verwendung von "Idealist" als svw. Phantast oder Utopist - Idealismus in seiner ursprünglichen Bedeutung: nämlich als Gegensatz zum Materialismus. |
Same here.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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jagy Herb Derpington III.
Anmeldungsdatum: 26.11.2006 Beiträge: 7275
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(#916546) Verfasst am: 23.01.2008, 10:09 Titel: Re: Kommt der Idealismus aus der Mode? |
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Gegenwind hat folgendes geschrieben: |
Ich behaupte, daß Idealismus in unserer kapitalistischen Ellbogengesellschaft immer mehr aus der Mode kommt |
Höchstens das Ideal hat sich verändert. Ideal ist nicht normativ aufgeladen - wer das Ideal einer "Ellenbogengesellschaft" anstrebt, ist auch Idealist seines Ideals.
_________________ INGLIP HAS BEEN SUMMONED - IT HAS BEGUN!
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Zumsel registrierter User
Anmeldungsdatum: 08.03.2005 Beiträge: 4667
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(#916572) Verfasst am: 23.01.2008, 10:59 Titel: |
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NOCQUAE hat folgendes geschrieben: | Ich verstehe - konträr zur sich zunehmend einbürgernden Verwendung von "Idealist" als svw. Phantast oder Utopist - Idealismus in seiner ursprünglichen Bedeutung: nämlich als Gegensatz zum Materialismus.
Insofern hoffe ich sehr, dass der Idealismus endlich mal langsam von seinem sich zunehmend verschlimmernden Zustand und den Todeszuckungen, in denen er schon seit so langer Zeit liegt, erlöst wird, die kurzen Beine in die Luft streckt und sanft entschlummert. |
Das wird kaum möglich sein, da sich ohne idealistische Prämissen kaum eine vernünftige Erkenntnistheorie begründen lassen dürfte. Der Idealismus ist der Vater des Rationalismus. Und ohne Rationalismus hätte es keine Aufklärung gegeben. Übrigens setzt jede Weltanschauung dogmatisch eine bstimmte Idee als Ausgangspunkt aller weiteren Ideen fest. Auch der Materialismus tut das. Insofern kann die Frage nicht heißen: "Idealistisch oder nicht?" Sondern: "Ist man sich der Relativität der postulierten Ideen bewusst?"
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Gegenwind gegen Faschismus
Anmeldungsdatum: 23.11.2007 Beiträge: 386
Wohnort: heutehiermorgendort
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(#916578) Verfasst am: 23.01.2008, 11:06 Titel: |
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NOCQUAE hat folgendes geschrieben: | Ich verstehe - konträr zur sich zunehmend einbürgernden Verwendung von "Idealist" als svw. Phantast oder Utopist - Idealismus in seiner ursprünglichen Bedeutung: nämlich als Gegensatz zum Materialismus.
Insofern hoffe ich sehr, dass der Idealismus endlich mal langsam von seinem sich zunehmend verschlimmernden Zustand und den Todeszuckungen, in denen er schon seit so langer Zeit liegt, erlöst wird, die kurzen Beine in die Luft streckt und sanft entschlummert. |
Wenn es so ist, wie "jagy" geschrieben hat (Ellbogengesellschaft als neues Ideal) stimmme ich durchaus zu. Bei dieser Austauschbarkeit frage ich mich allerdings, was danach kommen soll.
Ich denke hingegen an bestimmte humanistische Grundwerte, wenn ich an Idealismus denke (Schutz der Interessen, der Werte und der Würde des einzelnen Menschen - Toleranz, Gewaltfreiheit und Gewissensfreiheit im menschlichen Zusammenleben).
Diese Grundwerte sind eben nicht austauschbar, weil sie keine "Ansichtssache" sind !
Wenn der Idealismus unter diesen Gesichtspunkten entschlummert, dann gibt es zum Beispiel keine Rettungsanitäter, Krankenpfleger, Altenpfleger usw. usw. usw. mehr.
Alles Berufe, die ohne Idealismus nicht ausübbar sind.
_________________ „Protest ist, wenn ich sage, das und das paßt mir nicht.
Widerstand ist, wenn ich dafür sorge, daß das, was mir nicht paßt, nicht mehr geschieht.
Protest ist, wenn ich sage, ich mache nicht mehr mit.
Widerstand ist, wenn ich dafür sorge, daß alle anderen auch nicht mehr mitmachen.“
(Zitat einer bekannten Gesellschaftskritikerin)
Zuletzt bearbeitet von Gegenwind am 23.01.2008, 11:10, insgesamt 2-mal bearbeitet |
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Evilbert auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 16.09.2003 Beiträge: 42408
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(#916580) Verfasst am: 23.01.2008, 11:07 Titel: |
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Zumsel hat folgendes geschrieben: | NOCQUAE hat folgendes geschrieben: | Ich verstehe - konträr zur sich zunehmend einbürgernden Verwendung von "Idealist" als svw. Phantast oder Utopist - Idealismus in seiner ursprünglichen Bedeutung: nämlich als Gegensatz zum Materialismus.
Insofern hoffe ich sehr, dass der Idealismus endlich mal langsam von seinem sich zunehmend verschlimmernden Zustand und den Todeszuckungen, in denen er schon seit so langer Zeit liegt, erlöst wird, die kurzen Beine in die Luft streckt und sanft entschlummert. |
Das wird kaum möglich sein, da sich ohne idealistische Prämissen kaum eine vernünftige Erkenntnistheorie begründen lassen dürfte. Der Idealismus ist der Vater des Rationalismus. Und ohne Rationalismus hätte es keine Aufklärung gegeben. Übrigens setzt jede Weltanschauung dogmatisch eine bstimmte Idee als Ausgangspunkt aller weiteren Ideen fest. Auch der Materialismus tut das. Insofern kann die Frage nicht heißen: "Idealistisch oder nicht?" Sondern: "Ist man sich der Relativität der postulierten Ideen bewusst?" |
Das gilt nur, wenn man Idee so ziemlich mit Idealismus gleichsetzt.
Der Idealismus betrachtet Ideen als das eigentlich Wirkliche, so auch Wikipedia. Dennoch bestreitet der Idealismus natürlich in der Praxis nicht (unbedingt) die Existenz der Materie.
Umgekehrt muss man als Materialist natürlich keienswegs Ideen für nicht real halten; das wäre etwas überinterpretiert.
Zitat: | Insofern hoffe ich sehr, dass der Idealismus endlich mal langsam von seinem sich zunehmend verschlimmernden Zustand und den Todeszuckungen, in denen er schon seit so langer Zeit liegt, erlöst wird, die kurzen Beine in die Luft streckt und sanft entschlummert. |
Damit ist also nur gemeint, dass endlich die Ansicht aufgegeben werde, dass "die Materie nur als ... Erscheinungsform (der Ideen)" (Wikipedia) angesehen werden.
Es verhält sich nämlich genau umgekehrt. :freu:
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Zumsel registrierter User
Anmeldungsdatum: 08.03.2005 Beiträge: 4667
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(#916584) Verfasst am: 23.01.2008, 11:19 Titel: |
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Evilbert hat folgendes geschrieben: | Der Idealismus betrachtet Ideen als das eigentlich Wirkliche, so auch Wikipedia. Dennoch bestreitet der Idealismus natürlich in der Praxis nicht (unbedingt) die Existenz der Materie. |
Natürlich nicht. Es geht um die Idee als das Primat des (interpretierten) Seins.
Evilbert hat folgendes geschrieben: | Umgekehrt muss man als Materialist natürlich keienswegs Ideen für nicht real halten; das wäre etwas überinterpretiert. |
Durchaus nicht. Die Vorstellung von Naturgesetzen ist zum Beispiel eine ziemlich idealistische Interpretation der Wirklichkeit. Oder hast du schon mal ein Naturgesetz angefasst?
Evilbert hat folgendes geschrieben: | Damit ist also nur gemeint, dass endlich die Ansicht aufgegeben werde, dass "die Materie nur als ... Erscheinungsform (der Ideen)" (Wikipedia) angesehen werden. |
Dann hat man den Idealismus falsch verstanden. Ein Idealist muss derartige ontologische Behauptungen durchaus nicht aufstellen. Man kann auch bloß ein erkenntnistheoretischer Idealist sein.
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PataPata Agnostiker und Pataphysiker
Anmeldungsdatum: 05.11.2007 Beiträge: 2977
Wohnort: Toscana
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(#916601) Verfasst am: 23.01.2008, 11:55 Titel: Re: Kommt der Idealismus aus der Mode? |
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Gegenwind hat folgendes geschrieben: | Vorab stelle ich fest, daß es im Forum Uneinigkeit über die Definition von „Idealismus“ zu geben scheint. |
Eigentlich ist das nicht erstaunlich! Auch Wikipedia bietet ja 5 verschiedene Definitionen von Idealismus an:
Wikipedia: Idealismus hat folgendes geschrieben: |
Der Begriff Idealismus (abgeleitet von, gr. ιδέα, Idee, Urbild, Aussehen, Beschaffenheit) bezeichnet:
* in der Philosophie eine Anschauung, deren Vertreter Ideen (Geist, Vernunft oder Bewusstsein) als das eigentlich Wirkliche betrachten und die Materie nur als deren Erscheinungsform versteht (und hiervon abgeleitet), siehe: Idealismus (Philosophie);
* in der Geschichte der neueren Philosophie eine der wichtigsten Ideenkonstellationen, die ihren Ausgangspunkt in der Philosophie Immanuel Kants fand. Als zentral gelten die philosophischen Systementwürfe von Fichte, Hegel und Schelling. Siehe: Deutscher Idealismus;
* ein (mit Selbstaufopferung verbundenes, altruistisches) Streben nach Verwirklichung von Idealen; eine durch Ideale (oder Utopien) bestimmte Weltanschauung bzw. Lebenseinstellung – im Gegensatz zu Egoismus bzw. Pragmatismus;
* in der Kunst eine religiös-überirdische Erhöhung der Wirklichkeit („Statuierung einer Sphäre jenseits der Widersprüche“) – z. B. Darstellung der Leiden Christi als Erhöhung der Wirklichkeit;
* in der Literatur die Epochen der Klassik und Romantik, teilweise Humanismus (-> Menschenrechte). |
Ich meine, dass hier wohl die dritte Definition gemeint ist:
ein (mit Selbstaufopferung verbundenes, altruistisches) Streben nach Verwirklichung von Idealen; eine durch Ideale (oder Utopien) bestimmte Weltanschauung bzw. Lebenseinstellung – im Gegensatz zu Egoismus bzw. Pragmatismus;
Interessant ist das erwähnte Gegenteil "Pragmatismus" (nicht gleichzusetzen mit Egoismus). Und das ist heute ja das höchste Kompliment, das man z.B. einem Politiker machen kann (alles natürlich auch auf weibliche Wesen übertragbar): "Er ist ein Pragmatiker". Das bedeutet, dass er in seinen Entscheiden und Ansichten nicht stur von einer Ideologie geleitet wird und dafür "über Leichen geht", sondern dass er jede Frage von Fall zu Fall behandelt - eben "pragmatisch".
Nun, ich meine, dass Pragmatismus durchaus eine Qualität ist, wenn sie auch von einer Grundhaltung begleitet wird, einer Ideologie eben. Ich wähle lieber sozial denkende Politiker, am liebsten auch mit grünem Einschlag, aber auch mit einer liberalen Grundeinstellung. Schon diese Mischung zeigt, dass offenbar nur ein Pragmatiker alle diese Ideale in sich vereinen kann.
Einen idealistischen Pragmatiker also? S. meine Maxime: Alles denkbare ist real!
_________________ Alles denkbare ist real
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Telliamed registrierter User
Anmeldungsdatum: 05.03.2007 Beiträge: 5125
Wohnort: Wanderer zwischen den Welten
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(#916612) Verfasst am: 23.01.2008, 12:32 Titel: |
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Bis 1989 wurde an allen Schulen in der DDR und in den anderen sozialistischen Ländern gepredigt, dass die "Grundfrage der Philosophie" zwei Seiten hätte: 1. Was ist primär, die Materie oder die Ideen? 2. Ist die Welt erkennbar?
Beim ersten Teil dieser "Grundfrage" schieden sich entsprechend dieser Lehre die Geister: Wer vom Primat der Ideen ausging, war "Idealist" (Hegels "absolute Idee", die sich in der Wirklichkeit entäußere; Kants Setzen des "Ich"); wer vom Primat der Materie ausging, entsprechend "Materialist" (La Mettrie, Holbach, Marx). Die Millionen, die systemkonform darauf zu antworten hatten (also auch Angela Merkel, Minister Althaus usw.), mussten nicht unbedingt eine Zeile dieser Denker gelesen haben; die meisten haben es garantiert nicht.
Da man nun fast jeden Tag diesen bis zum Umfallen abgefragten Bestimmungen begegnete, war die als "alltäglich" verbreitete Vorstellung von "Idealismus" - Vorrang der Ideale - und "Materialismus" im Sinne von Streben nach Dingen, Besitz, Fressen, Saufen - in den Hintergrund getreten.
Noch 1988 wurde ich von jemandem bei einer Hausarbeit mit der Frage konfrontiert: "Kann die Grundfrage der Philosophie veralten?" - "Um den Quatsch so hinzuschreiben, dass Du eine Eins dafür bekommst, musst Du mir aber einen ganzen Beutel Bier holen!"
Das war so ungefähr die gleiche Anforderung, wie noch 1989 auf die Frage ernsthaft zu antworten: "Worin besteht die historische Mission der Arbeiterklasse?"
Ich weiß, nach 1990 hätte man politisch korrekt die Beantwortung solcher Fragen verweigern, als Widerstandskämpfer in den Untergrund gehen und die Familienmitglieder, die solche Arbeiten schreiben mussten, im Stich lassen müssen, ,
aber liegt man heutzutage mit einer solchen eher "philosophischen" (aber auch ziemlich schematisch-dogmatischen) Unterscheidung von Idealismus und Materialismus eigentlich sehr schief und warum?
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#916621) Verfasst am: 23.01.2008, 12:52 Titel: |
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Zumsel hat folgendes geschrieben: | Evilbert hat folgendes geschrieben: | Umgekehrt muss man als Materialist natürlich keienswegs Ideen für nicht real halten; das wäre etwas überinterpretiert. |
Durchaus nicht. Die Vorstellung von Naturgesetzen ist zum Beispiel eine ziemlich idealistische Interpretation der Wirklichkeit. Oder hast du schon mal ein Naturgesetz angefasst? |
Die Vorstellung, Naturgesetze existierten als Ideen oder Vorschriften unabhängig von der materiellen Natur, ist in der Tat idealistisch. Die Vorstellung, daß die wahrnehmbare Welt naturgesetzlich gut modellierbar ist, dagegen nicht.
Zumsel hat folgendes geschrieben: | Evilbert hat folgendes geschrieben: | Damit ist also nur gemeint, dass endlich die Ansicht aufgegeben werde, dass "die Materie nur als ... Erscheinungsform (der Ideen)" (Wikipedia) angesehen werden. |
Dann hat man den Idealismus falsch verstanden. Ein Idealist muss derartige ontologische Behauptungen durchaus nicht aufstellen. Man kann auch bloß ein erkenntnistheoretischer Idealist sein. |
Selbst diese Ansicht muß mE endlich aufgegeben werden.
Interessant finde ich übrigens, daß viele Idealisten auch Dualisten sind.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Effô Tisetti Königsblau bis in den Tod
Anmeldungsdatum: 18.09.2003 Beiträge: 9920
Wohnort: 75
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PataPata Agnostiker und Pataphysiker
Anmeldungsdatum: 05.11.2007 Beiträge: 2977
Wohnort: Toscana
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(#916658) Verfasst am: 23.01.2008, 13:36 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Die Vorstellung, Naturgesetze existierten als Ideen oder Vorschriften unabhängig von der materiellen Natur, ist in der Tat idealistisch. Die Vorstellung, daß die wahrnehmbare Welt naturgesetzlich gut modellierbar ist, dagegen nicht. |
Hier wird offensichtlich über den philosophischen Idealismus diskutiert. In seiner extremen (platonischen) Form behauptet dieser doch, dass zuerst die Ideen existieren und dann ihre Inkarnationen. Dass eine solche Denkweise direkt zum "intelligent Design" führt, muss ich hier wohl nicht näher erläutern.
Physik und Mathematik und andere Wissenschaften, die Modelle darüber entwickeln, wie die Natur funktioniert, sind reine Erfindungen des Menschen - was diese nicht herabwürdigen will, im Gegenteil. Dass Mathematik vom Menschen erfunden wurde und nicht etwa entdeckt, wissen die wenigsten (s. G. Lakoff & R.E. Núñez, Where Mathematics Comes From, Basic Books NY, 2000).
_________________ Alles denkbare ist real
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Gegenwind gegen Faschismus
Anmeldungsdatum: 23.11.2007 Beiträge: 386
Wohnort: heutehiermorgendort
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(#916676) Verfasst am: 23.01.2008, 13:53 Titel: |
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Schalker hat folgendes geschrieben: | Was macht man, wenn man als "Idealist" bezeichnet wird? Setzt man sich empört zur Wehr oder fühlt man sich geschmeichelt?
Was macht man, wenn man als "Materialist" bezeichnet wird? Setzt man sich empört zur Wehr oder stimmt man zu?
Kommt wohl auf den Kontext an... |
"Idealist" würde ich immer als Kompliment und Bestätigung meines Weges ansehen.
"Materialist" würde mich weder empören noch zustimmen lassen. Es betrifft mich überhaupt nicht. Es wäre genauso, als wenn mich jemand "Christ" nennt.
Es liegt doch an den Wahrnehmungsstörungen desjenigen, daß er mich so bezeichnet.
_________________ „Protest ist, wenn ich sage, das und das paßt mir nicht.
Widerstand ist, wenn ich dafür sorge, daß das, was mir nicht paßt, nicht mehr geschieht.
Protest ist, wenn ich sage, ich mache nicht mehr mit.
Widerstand ist, wenn ich dafür sorge, daß alle anderen auch nicht mehr mitmachen.“
(Zitat einer bekannten Gesellschaftskritikerin)
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Gegenwind gegen Faschismus
Anmeldungsdatum: 23.11.2007 Beiträge: 386
Wohnort: heutehiermorgendort
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(#916678) Verfasst am: 23.01.2008, 13:56 Titel: Re: Kommt der Idealismus aus der Mode? |
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Agnostiker hat folgendes geschrieben: |
- - - Wikipedia bietet ja 5 verschiedene Definitionen von Idealismus an:
Der Begriff Idealismus (abgeleitet von, gr. ιδέα, Idee, Urbild, Aussehen, Beschaffenheit) bezeichnet:
* in der Philosophie eine Anschauung, deren Vertreter Ideen (Geist, Vernunft oder Bewusstsein) als das eigentlich Wirkliche betrachten und die Materie nur als deren Erscheinungsform versteht (und hiervon abgeleitet), siehe: Idealismus (Philosophie);
* in der Geschichte der neueren Philosophie eine der wichtigsten Ideenkonstellationen, die ihren Ausgangspunkt in der Philosophie Immanuel Kants fand. Als zentral gelten die philosophischen Systementwürfe von Fichte, Hegel und Schelling. Siehe: Deutscher Idealismus;
* ein (mit Selbstaufopferung verbundenes, altruistisches) Streben nach Verwirklichung von Idealen; eine durch Ideale (oder Utopien) bestimmte Weltanschauung bzw. Lebenseinstellung – im Gegensatz zu Egoismus bzw. Pragmatismus;
* in der Kunst eine religiös-überirdische Erhöhung der Wirklichkeit („Statuierung einer Sphäre jenseits der Widersprüche“) – z. B. Darstellung der Leiden Christi als Erhöhung der Wirklichkeit;
* in der Literatur die Epochen der Klassik und Romantik, teilweise Humanismus (-> Menschenrechte).
Ich meine, dass hier wohl die dritte Definition gemeint ist: - - - |
Das sehe ich genauso.
_________________ „Protest ist, wenn ich sage, das und das paßt mir nicht.
Widerstand ist, wenn ich dafür sorge, daß das, was mir nicht paßt, nicht mehr geschieht.
Protest ist, wenn ich sage, ich mache nicht mehr mit.
Widerstand ist, wenn ich dafür sorge, daß alle anderen auch nicht mehr mitmachen.“
(Zitat einer bekannten Gesellschaftskritikerin)
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Sanne gives peas a chance.
Anmeldungsdatum: 05.08.2003 Beiträge: 12088
Wohnort: Nordschland
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(#916679) Verfasst am: 23.01.2008, 13:57 Titel: |
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Gegenwind hat folgendes geschrieben: | Es liegt doch an den Wahrnehmungsstörungen desjenigen, daß er mich so bezeichnet. |
Es liegt auch an den Definitionen, welche derjenige benutzt.
_________________ Ich will das Internet doch nicht mit meinen Problemen belästigen! (Marge Simpson)
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Sanne gives peas a chance.
Anmeldungsdatum: 05.08.2003 Beiträge: 12088
Wohnort: Nordschland
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(#916686) Verfasst am: 23.01.2008, 14:04 Titel: |
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Gegenwind hat folgendes geschrieben: | NOCQUAE hat folgendes geschrieben: | Ich verstehe - konträr zur sich zunehmend einbürgernden Verwendung von "Idealist" als svw. Phantast oder Utopist - Idealismus in seiner ursprünglichen Bedeutung: nämlich als Gegensatz zum Materialismus.
Insofern hoffe ich sehr, dass der Idealismus endlich mal langsam von seinem sich zunehmend verschlimmernden Zustand und den Todeszuckungen, in denen er schon seit so langer Zeit liegt, erlöst wird, die kurzen Beine in die Luft streckt und sanft entschlummert. |
Wenn es so ist, wie "jagy" geschrieben hat (Ellbogengesellschaft als neues Ideal) stimmme ich durchaus zu. Bei dieser Austauschbarkeit frage ich mich allerdings, was danach kommen soll.
Ich denke hingegen an bestimmte humanistische Grundwerte, wenn ich an Idealismus denke (Schutz der Interessen, der Werte und der Würde des einzelnen Menschen - Toleranz, Gewaltfreiheit und Gewissensfreiheit im menschlichen Zusammenleben).
Diese Grundwerte sind eben nicht austauschbar, weil sie keine "Ansichtssache" sind !
Wenn der Idealismus unter diesen Gesichtspunkten entschlummert, dann gibt es zum Beispiel keine Rettungsanitäter, Krankenpfleger, Altenpfleger usw. usw. usw. mehr.
Alles Berufe, die ohne Idealismus nicht ausübbar sind. |
Medizinische und soziale Berufe (auch künstlerische, wissenschaftliche und philosophische Berufe) haben allesamt ihren ökonomischen Wert in der Gesellschaft, das ist nur eine Frage der Organisation.
Ob derjenige, der so einen Beruf auswählt nun Idealist sein muß, oder derjenige, der ihn bezahlt? Gehört nicht auch Idealismus dazu, ein Haus zu bauen oder Roggenbrot herzustellen?
Zitat: | Ich denke hingegen an bestimmte humanistische Grundwerte, wenn ich an Idealismus denke (Schutz der Interessen, der Werte und der Würde des einzelnen Menschen - Toleranz, Gewaltfreiheit und Gewissensfreiheit im menschlichen Zusammenleben |
Diese Grundwerte werden in medizinischen und sozialen Berufen auch nicht stärker geachtet als anderswo.
_________________ Ich will das Internet doch nicht mit meinen Problemen belästigen! (Marge Simpson)
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Effô Tisetti Königsblau bis in den Tod
Anmeldungsdatum: 18.09.2003 Beiträge: 9920
Wohnort: 75
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(#916691) Verfasst am: 23.01.2008, 14:08 Titel: Re: Kommt der Idealismus aus der Mode? |
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Agnostiker hat folgendes geschrieben: |
Einen idealistischen Pragmatiker also? S. meine Maxime: Alles denkbare ist real! |
In beiden Modellen sind potenzielle Fehler bereits eingepreist. Es kann also letztlich nur noch um Tendenzen, Abwägungen im jeweils konkreten Fall gehen. Je mehr Variablen man kennt, desto mehr wird man sich dieser potenziellen Fehler bewusst. Die Wahl der Mittel, worin sich letztlich eine tendenziell eher pragmatische oder idealistische Haltung ausdrückt, ist an sich m.E. keine ethische Frage. So wirds aber immer dargestellt. Die Wandlung vom Idealisten zum Pragmatiker korreliert ja auffällig oft mit dem fortschreitenden Alter. Dabei kann sich auch die ethische Grundüberzeugung geändert haben. Muss aber nicht. Entscheidend scheint mir, dass man Kenntnis immer weiteren Variablen erhält. Gefährlich wirds immer dann, wenn man nicht bereit ist, gewisse "Ideale" einer im Kern rationalen Abwägung gar nicht mehr zugänglich zu machen. Das ist für gewöhnlich bei politischen oder religiösen Heilsideologien der Fall.
_________________ "Die einfache Formel: Jesus ist stärker! hilft Menschen, sich aus der Fixierung völlig irrationaler Wertesysteme zu lösen."
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Ralf Rudolfy Auf eigenen Wunsch deaktiviert.
Anmeldungsdatum: 11.12.2003 Beiträge: 26674
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(#916695) Verfasst am: 23.01.2008, 14:10 Titel: Re: Kommt der Idealismus aus der Mode? |
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Gegenwind hat folgendes geschrieben: | Vorab stelle ich fest, daß es im Forum Uneinigkeit über die Definition von „Idealismus“ zu geben scheint.
Begrifflich ist „Idealismus“ mit „Idee“ gleichzusetzen:
Die eigentliche Wirklichkeit ist immer die „Idee“ - was wir wahrnehmen, ist lediglich ein Abbild davon.
Außerdem ist meiner Ansicht nach Idealismus von Uneigennützigkeit geprägt.
Hätte es niemals Idealisten gegeben, dann würden wir in einer unmenschlichen asozialen Steinzeit-Bourgeoisie dahinvegetieren, umgeben von Egozentrikern und Materialismus-Anbetern. Grauenhafte Vorstellung.
Gelegentlich werden Idealisten mit Ideologen, Dogmatikern oder Fundamentalisten verwechselt.
Ich behaupte, daß Idealismus in unserer kapitalistischen Ellbogengesellschaft immer mehr aus der Mode kommt - mit fatalen Folgen:
Idealisten, die sich für eine bessere Welt einsetzen, werden als Spinner abqualifiziert und ausgegrenzt.
Diese Entwicklung ist bestens dazu geeignet, daß die Menschheit sich selber ausrottet. |
Wie kommst du darauf, daß die dem Idealismus zugrundeliegende Idee immer eine gute Idee ist?
_________________ Dadurch, daß ein Volk nicht mehr die Kraft oder Willen hat, sich in der Sphäre des Politischen zu halten, verschwindet das Politische nicht aus der Welt. Es verschwindet nur ein schwaches Volk. (Carl Schmitt)
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Ralf Rudolfy Auf eigenen Wunsch deaktiviert.
Anmeldungsdatum: 11.12.2003 Beiträge: 26674
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(#916697) Verfasst am: 23.01.2008, 14:11 Titel: |
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schabernick hat folgendes geschrieben: | Kurzer Erklärungsversuch in wenigen, meinen, Worten:
Ein Idealist stellt seine Idee über sich selbst,
ein Ideologe die Idee über andere. |
"Du bist nichts, dein Volk ist alles!"
Stellt der, der das sagt, nicht auch eine Idee über sich selbst?
_________________ Dadurch, daß ein Volk nicht mehr die Kraft oder Willen hat, sich in der Sphäre des Politischen zu halten, verschwindet das Politische nicht aus der Welt. Es verschwindet nur ein schwaches Volk. (Carl Schmitt)
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Effô Tisetti Königsblau bis in den Tod
Anmeldungsdatum: 18.09.2003 Beiträge: 9920
Wohnort: 75
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(#916699) Verfasst am: 23.01.2008, 14:16 Titel: Re: Kommt der Idealismus aus der Mode? |
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Ralf Rudolfy hat folgendes geschrieben: | Gegenwind hat folgendes geschrieben: | Vorab stelle ich fest, daß es im Forum Uneinigkeit über die Definition von „Idealismus“ zu geben scheint.
Begrifflich ist „Idealismus“ mit „Idee“ gleichzusetzen:
Die eigentliche Wirklichkeit ist immer die „Idee“ - was wir wahrnehmen, ist lediglich ein Abbild davon.
Außerdem ist meiner Ansicht nach Idealismus von Uneigennützigkeit geprägt.
Hätte es niemals Idealisten gegeben, dann würden wir in einer unmenschlichen asozialen Steinzeit-Bourgeoisie dahinvegetieren, umgeben von Egozentrikern und Materialismus-Anbetern. Grauenhafte Vorstellung.
Gelegentlich werden Idealisten mit Ideologen, Dogmatikern oder Fundamentalisten verwechselt.
Ich behaupte, daß Idealismus in unserer kapitalistischen Ellbogengesellschaft immer mehr aus der Mode kommt - mit fatalen Folgen:
Idealisten, die sich für eine bessere Welt einsetzen, werden als Spinner abqualifiziert und ausgegrenzt.
Diese Entwicklung ist bestens dazu geeignet, daß die Menschheit sich selber ausrottet. |
Wie kommst du darauf, daß die dem Idealismus zugrundeliegende Idee immer eine gute Idee ist? |
Eben! Aus Sicht der nationalsozialistischen Rassenideologie war der Herr Himmler z.B. ohne jeden Zweifel ein "Idealist".
_________________ "Die einfache Formel: Jesus ist stärker! hilft Menschen, sich aus der Fixierung völlig irrationaler Wertesysteme zu lösen."
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Gegenwind gegen Faschismus
Anmeldungsdatum: 23.11.2007 Beiträge: 386
Wohnort: heutehiermorgendort
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(#916717) Verfasst am: 23.01.2008, 14:40 Titel: |
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Sanne hat folgendes geschrieben: |
Medizinische und soziale Berufe (auch künstlerische, wissenschaftliche und philosophische Berufe) haben allesamt ihren ökonomischen Wert in der Gesellschaft, das ist nur eine Frage der Organisation.
Ob derjenige, der so einen Beruf auswählt nun Idealist sein muß, oder derjenige, der ihn bezahlt? Gehört nicht auch Idealismus dazu, ein Haus zu bauen oder Roggenbrot herzustellen? |
Ich mache einen Unterschied darin, ob sich der Berufstätige im Rahmen seiner Aufgabenstellung mit Menschen oder mit Materie befaßt.
Gegenwind hat folgendes geschrieben: | Ich denke hingegen an bestimmte humanistische Grundwerte, wenn ich an Idealismus denke (Schutz der Interessen, der Werte und der Würde des einzelnen Menschen - Toleranz, Gewaltfreiheit und Gewissensfreiheit im menschlichen Zusammenleben) |
Sanne hat folgendes geschrieben: | Diese Grundwerte werden in medizinischen und sozialen Berufen auch nicht stärker geachtet als anderswo. |
Wenn man besagten Unterschied macht, wird auch daraus ein Schuh. Als Heizungsmonteur habe ich sicherlich keine dieser humanistischen Grundwerte als Motivation im Kopf.
_________________ „Protest ist, wenn ich sage, das und das paßt mir nicht.
Widerstand ist, wenn ich dafür sorge, daß das, was mir nicht paßt, nicht mehr geschieht.
Protest ist, wenn ich sage, ich mache nicht mehr mit.
Widerstand ist, wenn ich dafür sorge, daß alle anderen auch nicht mehr mitmachen.“
(Zitat einer bekannten Gesellschaftskritikerin)
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Zumsel registrierter User
Anmeldungsdatum: 08.03.2005 Beiträge: 4667
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(#916720) Verfasst am: 23.01.2008, 14:42 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Die Vorstellung, Naturgesetze existierten als Ideen oder Vorschriften unabhängig von der materiellen Natur, ist in der Tat idealistisch. Die Vorstellung, daß die wahrnehmbare Welt naturgesetzlich gut modellierbar ist, dagegen nicht. |
Nun ja, das ist eine Definitionsfrage. Auch der "kritische Rationalist" setzt seine Vernunft an erste Stelle, erhebt sie zum zentralen Erkenntnisprinzip. Zwar hypostasiert er sie nicht mehr zum "Absoluten", aber in der "modellierten Welt", die er für die einzig relevante hält, bleibt sie Dreh- und Angelpunkt. Am Geist kommt keiner vorbei der nach Erkenntnis strebt.
step hat folgendes geschrieben: | Interessant finde ich übrigens, daß viele Idealisten auch Dualisten sind. |
Die Frage ist: Kann ein Dualist Nicht-Idealist sein?
Agnostiker hat folgendes geschrieben: | Hier wird offensichtlich über den philosophischen Idealismus diskutiert. In seiner extremen (platonischen) Form behauptet dieser doch, dass zuerst die Ideen existieren und dann ihre Inkarnationen. |
Aber Platon hat sich ja nicht nur einfach irgendwas zusammenphantasiert. Seine Ideenlehre ist Folge der erkenntnistheoretischen Feststellung, dass alles für uns Seiende immer als Begriff da ist und dass Erkenntnis immer die Erkenntnis des Allgemeinen im Speziellen ist. Die Ideenlehre trennt von dieser Feststellung nur das Dogma von der Möglichkeit absoluter Wahrheitserkenntnis.
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Gegenwind gegen Faschismus
Anmeldungsdatum: 23.11.2007 Beiträge: 386
Wohnort: heutehiermorgendort
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(#916729) Verfasst am: 23.01.2008, 14:51 Titel: Re: Kommt der Idealismus aus der Mode? |
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Ralf Rudolfy hat folgendes geschrieben: | Gegenwind hat folgendes geschrieben: | Vorab stelle ich fest, daß es im Forum Uneinigkeit über die Definition von „Idealismus“ zu geben scheint.
Begrifflich ist „Idealismus“ mit „Idee“ gleichzusetzen:
Die eigentliche Wirklichkeit ist immer die „Idee“ - was wir wahrnehmen, ist lediglich ein Abbild davon.
Außerdem ist meiner Ansicht nach Idealismus von Uneigennützigkeit geprägt.
Hätte es niemals Idealisten gegeben, dann würden wir in einer unmenschlichen asozialen Steinzeit-Bourgeoisie dahinvegetieren, umgeben von Egozentrikern und Materialismus-Anbetern. Grauenhafte Vorstellung.
Gelegentlich werden Idealisten mit Ideologen, Dogmatikern oder Fundamentalisten verwechselt.
Ich behaupte, daß Idealismus in unserer kapitalistischen Ellbogengesellschaft immer mehr aus der Mode kommt - mit fatalen Folgen:
Idealisten, die sich für eine bessere Welt einsetzen, werden als Spinner abqualifiziert und ausgegrenzt.
Diese Entwicklung ist bestens dazu geeignet, daß die Menschheit sich selber ausrottet. |
Wie kommst du darauf, daß die dem Idealismus zugrundeliegende Idee immer eine gute Idee ist? |
Weil ich davon ausgehe, daß Uneigennutz die Basis bildet.
Und wenn jemand eine Idee entwickelt, die nicht allein für ihn von Vorteil ist, sondern dem Wohl aller dient, dann ist das generell eine gute Idee.
Der kleinste Hauch von Eigennutz ( = ausschließlich für den Ideen-Entwickler von Vorteil) entlarvt jede Idee, der kein Idealismus zugrunde liegt.
Bei den hier angeführten Negativ-Beispielen (NS-Ideologen) handelt es sich um Ideologen und nicht um Idealisten.
Außerdem ist da jede Menge Eigennutz (nämlich Macht) im Spiel gewesen.
_________________ „Protest ist, wenn ich sage, das und das paßt mir nicht.
Widerstand ist, wenn ich dafür sorge, daß das, was mir nicht paßt, nicht mehr geschieht.
Protest ist, wenn ich sage, ich mache nicht mehr mit.
Widerstand ist, wenn ich dafür sorge, daß alle anderen auch nicht mehr mitmachen.“
(Zitat einer bekannten Gesellschaftskritikerin)
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Ralf Rudolfy Auf eigenen Wunsch deaktiviert.
Anmeldungsdatum: 11.12.2003 Beiträge: 26674
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(#916740) Verfasst am: 23.01.2008, 15:00 Titel: Re: Kommt der Idealismus aus der Mode? |
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Gegenwind hat folgendes geschrieben: | Ralf Rudolfy hat folgendes geschrieben: | Gegenwind hat folgendes geschrieben: | Vorab stelle ich fest, daß es im Forum Uneinigkeit über die Definition von „Idealismus“ zu geben scheint.
Begrifflich ist „Idealismus“ mit „Idee“ gleichzusetzen:
Die eigentliche Wirklichkeit ist immer die „Idee“ - was wir wahrnehmen, ist lediglich ein Abbild davon.
Außerdem ist meiner Ansicht nach Idealismus von Uneigennützigkeit geprägt.
Hätte es niemals Idealisten gegeben, dann würden wir in einer unmenschlichen asozialen Steinzeit-Bourgeoisie dahinvegetieren, umgeben von Egozentrikern und Materialismus-Anbetern. Grauenhafte Vorstellung.
Gelegentlich werden Idealisten mit Ideologen, Dogmatikern oder Fundamentalisten verwechselt.
Ich behaupte, daß Idealismus in unserer kapitalistischen Ellbogengesellschaft immer mehr aus der Mode kommt - mit fatalen Folgen:
Idealisten, die sich für eine bessere Welt einsetzen, werden als Spinner abqualifiziert und ausgegrenzt.
Diese Entwicklung ist bestens dazu geeignet, daß die Menschheit sich selber ausrottet. |
Wie kommst du darauf, daß die dem Idealismus zugrundeliegende Idee immer eine gute Idee ist? |
Weil ich davon ausgehe, daß Uneigennutz die Basis bildet.
Und wenn jemand eine Idee entwickelt, die nicht allein für ihn von Vorteil ist, sondern dem Wohl aller dient, dann ist das generell eine gute Idee. |
Das Problem ist nur, daß da dem Mißbrauch Tür und Tor geöffnet sind. Waren die Leute, die in den ersten Weltkrieg gezogen sind, um sich im Schützengraben einstampfen zu lassen, denn nicht mehrheitlich davon überzeugt, daß es dem Wohle aller dient, endlich den Erzfeind niederzuringen?
Gegenwind hat folgendes geschrieben: | Bei den hier angeführten Negativ-Beispielen (NS-Ideologen) handelt es sich um Ideologen und nicht um Idealisten. |
Besagte Ideologen waren nach der Definition, die du beklatscht hast, lupenreine Idealisten. Es gab genug Nazis, die meinten das ernst mit Gemeinnutz, Volksgemeinschaft usw.
_________________ Dadurch, daß ein Volk nicht mehr die Kraft oder Willen hat, sich in der Sphäre des Politischen zu halten, verschwindet das Politische nicht aus der Welt. Es verschwindet nur ein schwaches Volk. (Carl Schmitt)
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jagy Herb Derpington III.
Anmeldungsdatum: 26.11.2006 Beiträge: 7275
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(#916742) Verfasst am: 23.01.2008, 15:01 Titel: |
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Gegenwind hat folgendes geschrieben: |
Diese Grundwerte sind eben nicht austauschbar, weil sie keine "Ansichtssache" sind !
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Alles ist Ansichtssache, die Frage ist nur, wie gut eine Ansicht begründet ist (was durchaus zu einer intersubjektiven Geltung führen kann - aber eben nicht absolut). Anderfalls musst du mir erklären, aus welcher übernatürlichen/naturrechtlichen/metaphysischen absoluten Norm du dein Wissen nimmst, dass gewisse Werte keine Ansichtssache, also absolut sind. Dazu müsstest du mir zunächst darlegen, dass eine solche übernatürliche Norm besteht, und dann, dass wir Menschen sie erkennen können - ich jedenfalls lehne so etwas ab.
_________________ INGLIP HAS BEEN SUMMONED - IT HAS BEGUN!
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Sanne gives peas a chance.
Anmeldungsdatum: 05.08.2003 Beiträge: 12088
Wohnort: Nordschland
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(#916766) Verfasst am: 23.01.2008, 15:17 Titel: |
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Gegenwind hat folgendes geschrieben: | Sanne hat folgendes geschrieben: |
Medizinische und soziale Berufe (auch künstlerische, wissenschaftliche und philosophische Berufe) haben allesamt ihren ökonomischen Wert in der Gesellschaft, das ist nur eine Frage der Organisation.
Ob derjenige, der so einen Beruf auswählt nun Idealist sein muß, oder derjenige, der ihn bezahlt? Gehört nicht auch Idealismus dazu, ein Haus zu bauen oder Roggenbrot herzustellen? |
Ich mache einen Unterschied darin, ob sich der Berufstätige im Rahmen seiner Aufgabenstellung mit Menschen oder mit Materie befaßt.
Gegenwind hat folgendes geschrieben: | Ich denke hingegen an bestimmte humanistische Grundwerte, wenn ich an Idealismus denke (Schutz der Interessen, der Werte und der Würde des einzelnen Menschen - Toleranz, Gewaltfreiheit und Gewissensfreiheit im menschlichen Zusammenleben) |
Sanne hat folgendes geschrieben: | Diese Grundwerte werden in medizinischen und sozialen Berufen auch nicht stärker geachtet als anderswo. |
Wenn man besagten Unterschied macht, wird auch daraus ein Schuh. Als Heizungsmonteur habe ich sicherlich keine dieser humanistischen Grundwerte als Motivation im Kopf. |
Hmm. Nee, ich glaube nicht, daß humanistische Grundwerte als Motivation eine so große Rolle spielen. Krankenpflege ist auch nur ein Handwerk. Und der normengerechte Umgang mit Menschen gehört dort einfach mit zum Handwerkszeug.
_________________ Ich will das Internet doch nicht mit meinen Problemen belästigen! (Marge Simpson)
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