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Was haltet Ihr von Nagels Buch? |
Ich habe es gelesen, das Buch ist grottenschlecht |
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Ich habe es gelesen und fand das Buch anregend aber mit Schwächen |
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Ich habe es gelesen und fand das Buch gut |
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Ich habe es nicht gelesen und werde es aufgrund der wirren Argumentation auch nicht tun |
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Ich möchte es lesen, muss mich wohl aber dazu zwingen |
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Ich möchte es lesen und freue mich schon sehr darauf |
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Nagel und das Thema seines Buch interessieren mich nicht die Bohne |
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Stimmen insgesamt : 20 |
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Autor |
Nachricht |
smallie resistent!?
Anmeldungsdatum: 02.04.2010 Beiträge: 3726
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(#1905245) Verfasst am: 01.03.2014, 15:13 Titel: |
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AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | smallie hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | smallie hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Ich hielte es nun für einen performativen Widerspruch, wenn jemand behauptete, er habe mit Ontologie nichts am Hut, würde keine ontologischen Annahmen treffen. Sogar der Extrem-Solipsist trifft eine ontologische Annahme, (nämlich die, dass nichts außer seinem Hier-und-Jetzt-Erleben existiert). |
Das ist ein schönes Beispiel wie sehr diese ontologischen Sophistereien zur Vernichtung jeder Wahrheit beitragen. |
Welche Wahrheits-Theorie vertrittst Du, was meinst Du hier mit "Wahrheit"? |
Ich spreche lieber von Bedeutung als von Wahrheit.
Etwas ist dann von Bedeutung, wenn man es in ein semantisches Netz einbauen kann, und wenn dadurch ein neuer Schluß möglich wird. |
Du willst den Begriff "Wahrheit" vermeiden und statt dessen lieber "Bedeutung" sagen? Also, statt: "Das ist ein schönes Beispiel wie sehr diese ontologischen Sophistereien zur Vernichtung jeder Wahrheit beitragen." lieber sagen: "Das ist ein schönes Beispiel wie sehr diese ontologischen Sophistereien zur Vernichtung jeder Bedeutung beitragen."?
Verstehe ich nun noch nicht so recht, muss ich sagen. |
Auf die Sache mit der "Bedeutung" bin ich etwa 2001 gekommen. Sehr verkürzt dargestellt. Vorsicht, Crankwarnung!
Zitat: | Information und Bedeutung
Die umgangssprachliche Bedeutung von Information ist eine ganz andere als die technische. Im technischen Sinn hat eine zufällige Zeichenkette maximale Information. Umgangssprachlich würde man eher sagen: zufällige Muster sind bedeutungslos.
61573491856721 - enthält viel Information
11111111111111 - enthält wenig Information
Das ist seit langem bekannt. (Shannon, Kolmogorov)
Folgefrage: läßt sich die Bedeutung einer Information irgendwie ausrechnen? Wie erhält nackte Information ihre Bedeutung?
s = 1/2 gt²
E = 1/1 mc²
Der technische Informationsgehalt in beiden Zeichenfolgen ist annähernd gleich, ihre Bedeutung aber sehr unterschiedlich. Bedeutung ergibt sich, wenn man diese Symbole in ihrem Kontext ausliest. Die Bedeutung steckt in diesem Beziehungsgeflecht, darstellbar durch semantische Netze oder Gewichtungen in einem neuronalen Netz.
Die Zeichenfolge
x @ a\b gg°
enthält die gleiche Information wie die echten Formeln. Aber ohne Kontext, wie sie zu lesen ist, bleibt sie bedeutungslos.
Spaßeshalber kann ich mir sogar ein Maß ausdenken für Bedeutung.
Man zähle, wievele Wege durch ein semantisches Netz (besser: Entscheidungsbaum) führen. Wie viele Antworten kommen heraus, wenn man alle möglichen Eingaben anlegt? Sagen wir 100. Dann bestimme man, wie viele Wege davon über Fakt X führten. Die Bedeutung von X wäre dann x/100.
Leider ist das eine nutzlose Zahl und meine Überlegungen blieben ergebnislos.
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Aber das Bild, ein Fakt sei bedeutungslos ist, wenn er ursächlich nicht mit anderen verbunden ist, habe ich behalten. Zugegeben ist das ein fürchterlich umständlicher und technischer Weg, um zu dieser wenig überraschenden Aussage zu kommen.
Wittgenstein konnte es in einem kurzen Satz sagen: "Worüber man nicht reden kann, davon muß man Schweigen."
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Mein Punkt ist ja nach wie vor der, dass ich meine, dass bestimmte Aussagen eine Ontologie implizieren, egal, ob die explizit genannt wird oder nicht und dass es mE absurd ist, das abzustreiten. |
Wenn ich von etwas spreche, dann setze ich seine Existenz voraus, als Tatsache oder wenigstens hypothetisch. (Scherze oder fiktiven Erzählungen ausgenommen.)
Wie sieht so eine ontologische Implikation eigentlich aus? Läuft es auf "Es gibt X" oder "X ist ein Y" hinaus? Falls ja, sehe ich ein Problem.
Denn: "Es gibt X" ist alleine keine sinnvolle Aussage.
"Es gibt Atome" - welche Ontologie impliziert das? Keine. Es fehlt die Angabe, was diese "Atome" sein sollen, welche Eigenschaften sie haben; wie sich sich verhalten. Ohne diese Angaben könnte man auf die Idee kommen, die Atome der alten Griechen seien die gleichen wie unsere.
Eine Ontologie, die sich auf Begriffe wie Atom stützt, steht auf wackligen Füßen. Wer sich zu John Daltons Zeit ontologisch auf dessen Atommodell festgelegt hat, muß seine Ontologie mehrmals umwerfen, um Rutherford, Bohr, das Orbitalmodell unterzubringen. Das ist erstens aufwendig. Zweitens verdächtig, wenn man am Fundament ständig ausbessern muß.
Einem Pragmatiker, der "prozedurale Ontologie" betreibt, im Sinne von: mit X kann ich dieses und jenes anstellen, hat das Problem nicht. Dank Dalton kann der Pragmatiker aus den Atomgewichten von S und O das Molekülgewicht SO2 berechnen. Dank des Bohrschen Modells kann er etwas darüber sagen, warum S und O reagieren.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: |
Was meinst Du mit "man"? Nur Dich oder auch andere? Falls Letzteres: dann nimmst Du andere wie Dich an, nicht? |
Natürlich tue ich das. Ist einfacher, sonst müßte ich mir die Frage stellen, warum die Leute in meinem Kopf nicht so tun, wie ich will. Und welche Abgründe meiner Persönlichkeit ausgerechnet meine Lieblingsaufreger hervorbringen. Abgesehen von diesem Verdacht auf schwere Persönlichkeitsspaltung, sieht die Welt in beiden Fällen gleich aus:
- solipsistisch: die Welt gibt es nur in meiner Vorstellung. Wie ich handle, kann ich kontrollieren. Kontrolle über die Personen, die nur in meiner Vorstellung existieren, habe ich kaum.
- realistisch: die Welt ist unabhängig von meiner Vorstellung. Wie ich handle, kann ich kontrollieren. Kontrolle über die Welt und die anderen habe ich wenig.
Es gibt kein Experiment, das zwischen beiden Möglichkeiten entscheiden könnte. Solipsismus ist daher bedeutungslos.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | smallie hat folgendes geschrieben: | Die natürliche Sprache läßt es zu, daß man Dinge sagen kann, die bedeutungslos sind.
So sieht diese solipsistische Annahme aus, wenn ich sie etwas formalisiere:
Der letzte Fakt ist bedeutungslos. Er ist nicht durch eine Regel mit anderen Fakten verbunden. |
Was sind Fakten? Wie sind Fakten miteinander verbunden? Ist es z.B. ein Fakt, dass es ein Auto gibt? Ist es ebenso ein Fakt, dass es ein Einhorn gibt? |
Technisch gesagt, ist ein Fakt hier ein Objekt-Attribut-Wert-Tripel. Regeln verbinden Attribute unterschiedlicher Objekte. Ob es ein bestimmtes Auto gibt oder nicht, ist ein Fakt. Die Möglichkeit, daß es überhaupt Autos gibt, habe ich in das System hineingeschrieben. Einhörner fehlen.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Wieso und inwiefern sollte die Ansicht des vom mir skizzierten Solipsisten bedeutungslos sein? Bedeutungslos für wen oder was? |
Bedeutungslos für mich. Aus meiner Warte bist du nach wie vor AgentProvocateur, ob in Echt oder nur in meinem Kopf.
Für dich wäre es natürlich bedeutsam, nicht zu sein.
Nochmal ganz anders gesagt:
In der Mathematik gibt es Definitionen, Sätze und Beweise. Solipsismus ist nur eine Definition, solche kann man sich viele ausdenken. "Gerta ist der Name des unsichtbaren Drachen im Keller." "Gott ist der Schöpfer der Welt."
Etwas Neues erfährt man dadurch nicht.
_________________ "There are two hard things in computer science: cache invalidation, naming things, and off-by-one errors."
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zelig Kultürlich
Anmeldungsdatum: 31.03.2004 Beiträge: 25405
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(#1905252) Verfasst am: 01.03.2014, 16:26 Titel: |
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Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Mein Verständnis von Ontologie ist eben deutlich materialistisch geprägt. Als Idealist kann man das anders sehen. |
Nach meinem Verständnis liegt in dieser Aussage ein Kategorienfehler. Jedenfalls kann man das so verstehen. Man wäre Materialist, wenn man eine Position vertritt, die das Materielle als Essenz des Seienden voraussetzt. Man hätte in Bezug auf eine ontologische Fragestellung eine materialistische Position. Aber das "Verständnis von Ontologie" als philosophische Disziplin kann nicht materialistisch geprägt sein, da die Ontologie erst noch das verhandeln will, was die vorweggenommene "Prägung" bereits voraussetzt. Stell Dir vor, jemand sagt, sein Verständnis von Kosmologie sei zyklisch geprägt, obwohl er damit meint, er vertrete das kosmologische Modell des zyklischen Universums.
Da der Diskussionsverlauf im Gegensatz zum ursprünglichen Thema nicht mehr unterschiedliche ontologische Positionen zum Gegenstand hat, sondern das Verständnis der philosophischen Disziplin, sollte man da genau bleiben.
Ich bin zum Beispiel kein Materialist (vor allem deswegen, weil ider Begriff aufgrund naturwissenschaftlicher Erkenntnisse ausgehöhlt ist), aber mein Verständnis von Ontologie wäre, daß es zu ihrem Wesen gehört, daß man sich Gedanken über das Seiende macht und unter anderem versucht es von dem zu unterscheiden, was reine Vorstellung oder Erfahrung ist.
_________________ Es gibt kein richtiges Leben im falschen.
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44647
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(#1905269) Verfasst am: 01.03.2014, 19:47 Titel: |
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zelig hat folgendes geschrieben: | Nach meinem Verständnis liegt in dieser Aussage ein Kategorienfehler. Jedenfalls kann man das so verstehen. |
Man kann es als Kategorienfehler verstehen, muss es aber nicht so verstehen? In dem Falle liegt der Kategorienfehler doch wohl bei dem, der es so versteht...?
zelig hat folgendes geschrieben: | Man wäre Materialist, wenn man eine Position vertritt, die das Materielle als Essenz des Seienden voraussetzt. |
Nein, das wäre (jedenfalls soweit ich die Aussage verstehe) eine Form von Idealismus. Der Idealismus behauptet ein bestimmtes Verhältnis von Gegenstand und Begriff, nämlich das der Unterordnung des Gegenstandes unter den Begriff. Materialistisch ist jede Position, die dieses Verhältnis umzukehren versucht (etwa indem sie es dialektischer auffasst). Hier in diesem Kontext ist der Punkt der, dass Ontologie materialistisch betrachtet nicht als konzeptionelles Muster zu verstehen ist, das von außen (etwa als regulative Norm oder dergleichen) an die wissenschaftlichen Theorien heranzutragen wäre (so wie etwa die kantischen Kategorien), sondern eine bestimmte Art der Befragung der Theorien selbst hinsichtlich bestimmter Fragen und Gesichtspunkte.
zelig hat folgendes geschrieben: | Da der Diskussionsverlauf im Gegensatz zum ursprünglichen Thema nicht mehr unterschiedliche ontologische Positionen zum Gegenstand hat, sondern das Verständnis der philosophischen Disziplin, sollte man da genau bleiben. |
Ich verstehe, was du meinst. Nur gibt es natürlich keine scharfe Trennung zwischen den ontologischen Positionen und Argumenten, die jemand entwickelt, und der Entwicklung seines Verständnisses davon, was er dabei eigentlich macht. Gerade weil Reflexivität im Bereich der Ontologie eine enorme Rolle spielt. Deshalb habe ich ja von Anfang an gesagt, dass mit "wissenschaftlicher Ontologie" sowohl bestimmte Aspekte der wissenschaftlichen Theorien gemeint sind als auch die philosophische Tätigkeit der Beschäftigung mit diesen Aspekten. Diese Doppeldeutigkeit ist gewollt, weil diese beiden Bedeutungen sehr viel enger zusammenhängen, als es auf den ersten Blick erscheinen mag. In der Philosophie generell sind ja auch die Begriffe, mit denen man operiert, nicht einfach gegeben, sondern selbst Gegenstand der Erarbeitung und Auseinandersetzung. (Sehr schön demonstriert das Jürg Berthold in seinen Arbeiten, z.B. "Kampfplatz endloser Streitigkeiten".)
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1905344) Verfasst am: 02.03.2014, 09:35 Titel: |
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Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Der Idealismus behauptet ein bestimmtes Verhältnis von Gegenstand und Begriff, nämlich das der Unterordnung des Gegenstandes unter den Begriff. Materialistisch ist jede Position, die dieses Verhältnis umzukehren versucht |
Eine Unterordnung des Begriffs unter den (vermeintlichen) Gegenstand kann man durchaus als ähnlich idealistisch ansehen. Ist aber letztlich mE unwichtig - viel wesentlicher ist die Frage, wie stark metaphyisch aufgeladen der Idealismus bzw. de Materialismus ist. Der Metaphysik entkleidet, verschwindet der Unterschied zwischen Begriff und Gegenstand so ziemlich, würde ich sagen.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Lamarck Radikaler Konstruktivist
Anmeldungsdatum: 28.03.2004 Beiträge: 2148
Wohnort: Frankfurt am Main
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(#1905358) Verfasst am: 02.03.2014, 11:47 Titel: |
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Hi Tarvoc!
Tarvoc hat folgendes geschrieben: |
step hat folgendes geschrieben: | Aber ich verwende meist trotzdem "Modell", weil es gar nicht so schlimm erscheint zuzugeben, daß man (meistens) etwas modelliert, nämlich die Beobachtungen. Nur die ontologische Überhöhung "verläßlich beobachtbar" -> "real existent" ist mE nicht nötig. Es stört mich auch nicht besonders, erst, wenn es zur Voraussetzung erklärt wird.
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Ach, zu sagen, dass Beobachtungen stattfinden, ist also eine ontologische Überhöhung? Das ist jedenfalls das, was da steht.
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"verlässlich beobachtbar" := reproduzierbar
Tarvoc hat folgendes geschrieben: |
Man kann die ganze Sache natürlich auch à la Markus Gabriel umdrehen: Der Gegenstand der Beobachtung existiert als solcher (d.h. als Gegenstand der jeweiligen Beobachtung) schon per definitionem und die wahre "ontologische Überhöhung" besteht darin, das so zu bestreiten, wie du das machst, weil man damit die Frage, was existiert und was nicht, überhaupt erst auf's Tableau bringt.
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Ich jedenfalls habe die Beobachtung getätigt [sic!], der Jungstar-Philosoph Markus Gabriel hat nur die naive Form des Idealismus entdeckt - er weiß es nur noch nicht - aber vielleicht kommt dieser auch noch zu einer ähnlichen [sic!] Beobachtung ... .
Tarvoc hat folgendes geschrieben: |
Wenn die These korrekt wäre, dass Ontologie irrelevant ist, dann müsste es schlichtweg egal sein, ob ich meine wissenschaftlichen Theorien bloß als Berechnungsvorschriften bezeichne oder als Modelle wirklicher Gegenstände.
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Immer diese ontologischen Überhöhungen ... . Zunächst wäre doch zu klären, was Ontologie mit Existenz zu schaffen hat. Und selbstverständlich sind wissenschaftliche Theorien nichts weiter als eine Form von Berechnungsvorschriften für bestimmte Modelle (vgl. 'Ideales Pendel'). Welchen Status diesen Modellen zukommt und ob es sinnvoll ist, dies dann gegebenenfalls als 'real' bzw. als 'wahr' zu bezeichnen, ist eine ganz andere Frage. Als weiteres Beispiel: Gibt es Kreise (Markus Gabriel behauptet jedenfalls, ein Universum gibt es nicht ...)?
Cheers,
Lamarck
_________________ „Nothing in Biology makes sense, except in the light of evolution.” (Theodosius Dobzhansky)
„If you can’t stand algebra, keep out of evolutionary biology.” (John Maynard Smith)
„Computers are to biology what mathematics is to physics.” (Harold Morowitz)
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Lamarck Radikaler Konstruktivist
Anmeldungsdatum: 28.03.2004 Beiträge: 2148
Wohnort: Frankfurt am Main
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(#1905359) Verfasst am: 02.03.2014, 11:54 Titel: |
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Hi step!
step hat folgendes geschrieben: |
Tarvoc hat folgendes geschrieben: |
Der Idealismus behauptet ein bestimmtes Verhältnis von Gegenstand und Begriff, nämlich das der Unterordnung des Gegenstandes unter den Begriff. Materialistisch ist jede Position, die dieses Verhältnis umzukehren versucht
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Eine Unterordnung des Begriffs unter den (vermeintlichen) Gegenstand kann man durchaus als ähnlich idealistisch ansehen. Ist aber letztlich mE unwichtig - viel wesentlicher ist die Frage, wie stark metaphyisch aufgeladen der Idealismus bzw. de Materialismus ist. Der Metaphysik entkleidet, verschwindet der Unterschied zwischen Begriff und Gegenstand so ziemlich, würde ich sagen.
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Der Begriff ist nicht identisch mit dem Gegenstand, die Landkarte ist nicht das Land ... .
Cheers,
Lamarck
_________________ „Nothing in Biology makes sense, except in the light of evolution.” (Theodosius Dobzhansky)
„If you can’t stand algebra, keep out of evolutionary biology.” (John Maynard Smith)
„Computers are to biology what mathematics is to physics.” (Harold Morowitz)
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44647
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(#1905368) Verfasst am: 02.03.2014, 12:54 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Eine Unterordnung des Begriffs unter den (vermeintlichen) Gegenstand kann man durchaus als ähnlich idealistisch ansehen. |
Stimmt im Prinzip, wobei noch die Frage wäre, wie das überhaupt aussähe...
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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smallie resistent!?
Anmeldungsdatum: 02.04.2010 Beiträge: 3726
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(#1905397) Verfasst am: 02.03.2014, 18:04 Titel: |
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Lamarck hat folgendes geschrieben: |
[...] Jungstar-Philosoph Markus Gabriel [...]
(Markus Gabriel behauptet jedenfalls, ein Universum gibt es nicht ...)? |
Hab' mir die ersten vier Minuten aus dem erstbesten Youtube-Link angesehen.
Großartiges Material!
Auf die Frage nach dem Titel seines Buches Warum es die Welt nicht gibt antwortet Gabriel:
Gabriel hat folgendes geschrieben: | Stellen wir uns vor, wir machen eine Liste, mit allem was es gibt. Da kommen wir dann vor und die Mikrofone, das Studio, Stuttgart und Europa [...] eine ziemlich lange Liste, die Galaxie und der ganze Kram. Am Ende denkt man, jetzt habe ich alles aufgeschrieben, das wäre dann die Welt, die Liste mit allem. Eins habe ich dann aber vergessen, die Liste selber. So, muß ich die Liste eintragen. Dann muß ich das Eintragen auch noch Eintragen und das Eintragen des Eintragens ... das geht immer so weiter, man sieht, daß es so etwas wie alles auf einmal nicht geben kann - und das wäre die Welt: alles auf einmal. |
Gabriel hätte einfach "die Welt" auch noch auf die Liste der Dinge, die es gibt, setzen sollen und fertig.
Aber nein, was macht Gabriel? Er baut ein Argument, das einem alten Paradox der Mengenlehre gleicht:
Zitat: | Gegeben sei die Menge aller Mengen. Enthält diese Menge sich selbst als Element? |
Darf ich von Gabriel erwarten, daß er das kennt? Daß ihm die Analogie auffällt und er noch einmal nachdenkt?
So herum wäre es besser:
"Es gibt die Welt, unabhängig davon, ob man eine vollständige Liste aufschreiben kann, von allem was in der Welt ist."
Gabriel hat folgendes geschrieben: | Wir setzen die ganze Zeit voraus, daß es ein Weltganzes gibt [...] das nennen wir das Universum. Sieht auch so aus, da gibt es dieses riesige Ding, das fotografieren wir mit dem Hubbleteleskop, sozusagen von außen als würde Gott draufsehen. |
Das wäre geil, könnte man von außen draufschauen. Das würde so manche Frage beantworten. Wir können aber nicht von draußen draufschauen, sondern nur von innen, zum Beispiel durch Messung der Hintergrundstrahlung.
Gabriel hat folgendes geschrieben: | Wenn wir der Meinung sind, da gibt es dieses riesige Ding, in dem wir drin sind [...] dann fließen Geldströme in eine bestimmte Richtung, sagen wir mal in die Neurowissenschaft und die Physik, weg von der Germanistik. Wir denken: lieber will ich wissen, was in der nächsten Galaxie passiert, als Goethe besser zu verstehen. [...] Warum aber? Da steigt dann der Philosoph ein und analysiert die Begriffe. |
Das war nur aus den ersten vier Minuten des Videos. An der Stelle habe ich abgebrochen.
_________________ "There are two hard things in computer science: cache invalidation, naming things, and off-by-one errors."
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1905404) Verfasst am: 02.03.2014, 18:28 Titel: |
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Lamarck hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | ... Der Metaphysik entkleidet, verschwindet der Unterschied zwischen Begriff und Gegenstand so ziemlich, würde ich sagen.
| Der Begriff ist nicht identisch mit dem Gegenstand, die Landkarte ist nicht das Land ... |
Natürlich - deshalb heißt sie ja auch "Landkarte" und nicht "Land".
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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zelig Kultürlich
Anmeldungsdatum: 31.03.2004 Beiträge: 25405
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(#1905610) Verfasst am: 03.03.2014, 16:51 Titel: |
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Lamarck hat folgendes geschrieben: | Gibt es Kreise [...] ? |
Man frage nach, warum Kreise nicht existieren sollen, und erhält mit der Antwort einen Einblick in die ontologischen Setzungen des Auskunft gebenden. Die müssen nicht einmal reflektiert sein.
_________________ Es gibt kein richtiges Leben im falschen.
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Myron Pansomatist
Anmeldungsdatum: 01.07.2007 Beiträge: 3625
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(#1905708) Verfasst am: 03.03.2014, 23:45 Titel: |
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smallie hat folgendes geschrieben: | Auf die Frage nach dem Titel seines Buches Warum es die Welt nicht gibt antwortet Gabriel:
Gabriel hat folgendes geschrieben: | Stellen wir uns vor, wir machen eine Liste, mit allem was es gibt. Da kommen wir dann vor und die Mikrofone, das Studio, Stuttgart und Europa [...] eine ziemlich lange Liste, die Galaxie und der ganze Kram. Am Ende denkt man, jetzt habe ich alles aufgeschrieben, das wäre dann die Welt, die Liste mit allem. Eins habe ich dann aber vergessen, die Liste selber. So, muß ich die Liste eintragen. Dann muß ich das Eintragen auch noch Eintragen und das Eintragen des Eintragens ... das geht immer so weiter, man sieht, daß es so etwas wie alles auf einmal nicht geben kann - und das wäre die Welt: alles auf einmal. |
Gabriel hätte einfach "die Welt" auch noch auf die Liste der Dinge, die es gibt, setzen sollen und fertig.
Aber nein, was macht Gabriel? Er baut ein Argument, das einem alten Paradox der Mengenlehre gleicht:
Zitat: | Gegeben sei die Menge aller Mengen. Enthält diese Menge sich selbst als Element? |
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Wenn man unter der Welt die Menge aller Dinge versteht, dann müsste die Welt als Ding Mitglied ihrer selbst sein, was unmöglich ist. Die Beziehung der Mitgliedschaft in einer Menge ist nicht reflexiv. Es gibt aber eine andere Beziehung, die reflexiv ist, nämlich die mereologische Beziehung der Teilschaft an einem Ganzen: Alles ist Teil seiner selbst. Man kann somit unter der Welt widerspruchsfrei die mereologische Summe aller Dinge verstehen, einschließlich der Welt als Ganzes, die als Ding Teil der Summe aller Dinge und damit Teil ihrer selbst ist.
In der Mengenlehre gibt es keine Universalmenge, aber in der Mereologie gibt es eine Universalsumme, deren Setzung zu keinerlei Paradoxien führt. Im mereologischen Sinne ist der Begriff der Welt als Ganzes also wohldefiniert. Das sollte ein Philosophieprofessor eigentlich wissen.
"On the assumption that arbitrary sums exist, there then exists the sum of all objects whatever, a unique individual of which all individuals are part. This is denoted by 'U' and is called, for obvious reasons, 'the universe'."
—
"Wenn man annimmt, dass beliebige Summen existieren, dann existiert die Summe aller Objekte gleich welcher Art, ein einzigartiges Individuum, wovon alle Individuen ein Teil sind. Dieses wird mit 'U' bezeichnet und aus offensichtlichen Gründen 'das Universum' genannt."
[© meine Übers.]
(Simons, Peter. Parts: A Study in Mereology. Oxford: Oxford University Press, 1987. p. 15)
Statt "U"/"das Universum" kann genauso gut "W"/"die Welt" verwendet werden.
Mereology: http://plato.stanford.edu/entries/mereology/
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Myron Pansomatist
Anmeldungsdatum: 01.07.2007 Beiträge: 3625
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(#1905723) Verfasst am: 04.03.2014, 01:11 Titel: |
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zelig hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Gibt es Kreise [...] ? |
Man frage nach, warum Kreise nicht existieren sollen, und erhält mit der Antwort einen Einblick in die ontologischen Setzungen des Auskunft gebenden. Die müssen nicht einmal reflektiert sein. |
Die Existenz kreisförmiger materieller Objekte wird (außer Leuten, die generell die Existenz materieller Objekte bestreiten) niemand bestreiten. Bei der Frage nach der Existenz von Kreisen als abstrakt-immateriellen geometrischen Formen sieht die Sache anders aus.
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Myron Pansomatist
Anmeldungsdatum: 01.07.2007 Beiträge: 3625
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(#1905741) Verfasst am: 04.03.2014, 02:22 Titel: |
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smallie hat folgendes geschrieben: |
"Es gibt Atome" - welche Ontologie impliziert das? Keine. Es fehlt die Angabe, was diese "Atome" sein sollen, welche Eigenschaften sie haben; wie sich sich verhalten. Ohne diese Angaben könnte man auf die Idee kommen, die Atome der alten Griechen seien die gleichen wie unsere.
Eine Ontologie, die sich auf Begriffe wie Atom stützt, steht auf wackligen Füßen. Wer sich zu John Daltons Zeit ontologisch auf dessen Atommodell festgelegt hat, muß seine Ontologie mehrmals umwerfen, um Rutherford, Bohr, das Orbitalmodell unterzubringen. Das ist erstens aufwendig. Zweitens verdächtig, wenn man am Fundament ständig ausbessern muß. |
Atome im ontologischen Sinn sind verschieden von Atomen im physikalisch-chemischen Sinn, denn erstere sind Atome im mereologischen Sinn, d.h. einfache, nicht zusammengesetzte Dinge, Dinge ohne echte (Bestand-)Teile (Komponenten). Und die physikalisch-chemischen Atome sind keine mereologischen Atome, da sie aus kleineren Bauteilen bestehen.
Ob es Atome im mereologisch-ontologischen Sinn gibt, wissen wir nicht. Dass es keine solchen Atome gibt, d.h. dass die Materie "atomless gunk", atomlose "Götterspeise" ist, scheint nicht a priori ausgeschlossen. Das würde allerdings bedeuten, dass jeder Organismus, jede Zelle, jedes Molekül, jedes (physikalische) Atom und jedes noch so winzige Elementarteilchen aus einer aktual-unendlichen Menge von Bestandteilen zusammengesetzt wäre. In diesem Fall wären die Anzahlen der Bestandteile eines Organismus, einer Zelle, eines Moleküles usw. stets identisch, nämlich Aleph-0 (die erste transfinite Kardinalzahl). Jede einzelne Zelle meines Körpers würde somit aus derselben unendlichen Anzahl von Bestandteilen bestehen wie mein Körper als Ganzes. Das ist ein Punkt, der vielen paradox erscheint.
Wer die Existenz vollendeter Unendlichkeiten in der physischen Welt aus grundsätzlichen Erwägungen heraus für unmöglich hält, der muss die Möglichkeit der Atomlosigkeit der Materie und damit die Möglichkeit unendlicher physischer Komplexität verwerfen, und ein aus einfachen Gebilden bestehendes Seinsfundament postulieren. Das nennt man dann ontologischer Atomismus, welcher in der Annahme der Existenz mereologischer Atome besteht. Wenn es physische mereologische Atome gibt, dann sind sie die Substanzen der physischen Realität.
Man beachte, dass mit der bloßen Annahme der Existenz mereologischer Atome noch nicht die Fragen beantwortet sind, um welche Art von Entität es sich bei den Atomen handelt und wie viele es davon gibt. Da gibt es nämlich mehrere Kandidaten, z.B. 0-dimensionale oder minimal 3/4-dimensionale Partikel oder Korpuskel in endlicher oder unendlicher Anzahl. Es könnte aber auch sein, dass es nur ein einziges Atom gibt, nämlich die Welt oder die Raumzeit als Ganzes.
Wenn wir das Wort "Atom" hören, denken wir zunächst an winzige Dinge; doch ein mereologisches Atom muss keineswegs winzig sein. Es kann auch riesig sein, denn mereologische Atomhaftigkeit bedeutet Einfachheit im Sinne von Bestandteillosigkeit und Nichtzusammengesetztheit, aber nicht im Sinne von räumlicher/raumzeitlicher Unausgedehntheit. Das heißt, Atome müssen nicht 0-dimensional sein. Atome können durchaus 3- oder 4-dimensional sein. Sie haben keine substanziellen Bestandteile, was nicht bedeutet, dass sie auch keine nichtsubstanziellen räumlichen oder zeitlichen Teile haben.
Eine mereologisch atomare Kugel hat eine obere und eine untere Hälfte, aber sie ist aus diesen räumlichen Teilen nicht zusammengesetzt, da es sich dabei nicht um eigenständige Halbkugeln handelt, die lediglich zu einer Kugel zusammengefügt wurden und auch wieder voneinander getrennt werden können.
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44647
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(#1905743) Verfasst am: 04.03.2014, 02:34 Titel: |
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Myron hat folgendes geschrieben: | Ob es Atome im mereologisch-ontologischen Sinn gibt, wissen wir nicht. |
Wittgenstein hat ja darauf aufmerksam gemacht, dass das u.U. auch darauf ankommt, mit welchen Regeln wir jeweils operieren. In einem simplen Sprachspiel, in dem es drei Bauklötze gibt, die miteinander verbaut, aber als solche nicht verändert (also z.B. nicht zerbrochen) werden, spielen diese drei Bauklötze gewissermaßen die Rolle von Atomen. Für die Physik sind diese Bauklötze hingegen natürlich keine Atome, und zwar weder im physikalischen noch im ontologischen Sinne.
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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Lamarck Radikaler Konstruktivist
Anmeldungsdatum: 28.03.2004 Beiträge: 2148
Wohnort: Frankfurt am Main
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(#1905744) Verfasst am: 04.03.2014, 02:44 Titel: |
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Hi smallie!
smallie hat folgendes geschrieben: |
Aber nein, was macht Gabriel? Er baut ein Argument, das einem alten Paradox der Mengenlehre gleicht:
Zitat: |
Gegeben sei die Menge aller Mengen. Enthält diese Menge sich selbst als Element?
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Darf ich von Gabriel erwarten, daß er das kennt? Daß ihm die Analogie auffällt und er noch einmal nachdenkt?
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Das Barbier-Paradoxon wird er gewisslich kennen ... .
smallie hat folgendes geschrieben: |
So herum wäre es besser:
"Es gibt die Welt, unabhängig davon, ob man eine vollständige Liste aufschreiben kann, von allem was in der Welt ist."
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Mathematik ist auch eine Form von Sprache und eine Sprache enthält gewisse informelle Vorschriften. So gibt es Iterationen und Rekursionen. Gabriel könnte auf seine Liste etwa einfach schreiben:
Universum := {n1, n2, ... , diese Liste}
Was identisch ist mit diesem:
Universum := {(... (Liste (Liste (Liste) ...))}
Oder auch mit diesem: Die Welt ist alles, was der Fall ist.
smallie hat folgendes geschrieben: |
Gabriel hat folgendes geschrieben: |
Wir setzen die ganze Zeit voraus, daß es ein Weltganzes gibt [...] das nennen wir das Universum. Sieht auch so aus, da gibt es dieses riesige Ding, das fotografieren wir mit dem Hubbleteleskop, sozusagen von außen als würde Gott draufsehen.
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Das wäre geil, könnte man von außen draufschauen. Das würde so manche Frage beantworten. Wir können aber nicht von draußen draufschauen, sondern nur von innen, zum Beispiel durch Messung der Hintergrundstrahlung.
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Der Standpunkt des Beobachters ist immer der Außenstandpunkt. Dies gelingt, weil Du einen bestimmten Punkt im Universum idealisierst. Weil das Universum über unterschiedliche Strukturen verfügt, kannst Du deshalb so mit einem Thermometer lokal die Temperatur ablesen ... .
smallie hat folgendes geschrieben: |
Gabriel hat folgendes geschrieben: |
Wenn wir der Meinung sind, da gibt es dieses riesige Ding, in dem wir drin sind [...] dann fließen Geldströme in eine bestimmte Richtung, sagen wir mal in die Neurowissenschaft und die Physik, weg von der Germanistik. Wir denken: lieber will ich wissen, was in der nächsten Galaxie passiert, als Goethe besser zu verstehen. [...] Warum aber? Da steigt dann der Philosoph ein und analysiert die Begriffe.
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Das war nur aus den ersten vier Minuten des Videos. An der Stelle habe ich abgebrochen.
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Ja, Gabriel ist schon lustig: Weil wir meinen, wir befinden uns in einem Universum, wird es deshalb gesellschaftlich geboten sein, öffentliche Gelder für Physik, nicht jedoch für Goethe auszugeben. Die analytische Philosophie muss wohl sehr vielen Spaß haben an Ihren Umtrieben ... .
Cheers,
Lamarck
_________________ „Nothing in Biology makes sense, except in the light of evolution.” (Theodosius Dobzhansky)
„If you can’t stand algebra, keep out of evolutionary biology.” (John Maynard Smith)
„Computers are to biology what mathematics is to physics.” (Harold Morowitz)
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Lamarck Radikaler Konstruktivist
Anmeldungsdatum: 28.03.2004 Beiträge: 2148
Wohnort: Frankfurt am Main
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(#1905745) Verfasst am: 04.03.2014, 02:47 Titel: |
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Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Myron hat folgendes geschrieben: | Ob es Atome im mereologisch-ontologischen Sinn gibt, wissen wir nicht. |
Wittgenstein hat ja darauf aufmerksam gemacht, dass das u.U. auch darauf ankommt, mit welchen Regeln wir jeweils operieren. In einem simplen Sprachspiel, in dem es drei Bauklötze gibt, die miteinander verbaut, aber als solche nicht verändert (also z.B. nicht zerbrochen) werden, spielen diese drei Bauklötze gewissermaßen die Rolle von Atomen. Für die Physik sind diese Bauklötze hingegen natürlich keine Atome, und zwar weder im physikalischen noch im ontologischen Sinne.
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Und, wieviele 'Bauklötze' braucht es für Ontologie - und wieviele, damit 'Ontologie' existiert?
Cheers,
Lamarck
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Lamarck Radikaler Konstruktivist
Anmeldungsdatum: 28.03.2004 Beiträge: 2148
Wohnort: Frankfurt am Main
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(#1905747) Verfasst am: 04.03.2014, 03:24 Titel: |
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Hi Myron!
Myron hat folgendes geschrieben: |
smallie hat folgendes geschrieben: |
"Es gibt Atome" - welche Ontologie impliziert das? Keine. Es fehlt die Angabe, was diese "Atome" sein sollen, welche Eigenschaften sie haben; wie sich sich verhalten. Ohne diese Angaben könnte man auf die Idee kommen, die Atome der alten Griechen seien die gleichen wie unsere.
Eine Ontologie, die sich auf Begriffe wie Atom stützt, steht auf wackligen Füßen. Wer sich zu John Daltons Zeit ontologisch auf dessen Atommodell festgelegt hat, muß seine Ontologie mehrmals umwerfen, um Rutherford, Bohr, das Orbitalmodell unterzubringen. Das ist erstens aufwendig. Zweitens verdächtig, wenn man am Fundament ständig ausbessern muß.
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Atome im ontologischen Sinn sind verschieden von Atomen im physikalisch-chemischen Sinn, denn erstere sind Atome im mereologischen Sinn, d.h. einfache, nicht zusammengesetzte Dinge, Dinge ohne echte (Bestand-)Teile (Komponenten). Und die physikalisch-chemischen Atome sind keine mereologischen Atome, da sie aus kleineren Bauteilen bestehen.
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Ontologie impliziert nichts, aber auch gar nichts. Und merologisch-ontologische Atome implizieren ebenfalls auch keine physikalischen Atome oder sonst irgendetwas ... .
Myron hat folgendes geschrieben: |
Ob es Atome im mereologisch-ontologischen Sinn gibt, wissen wir nicht. Dass es keine solchen Atome gibt, d.h. dass die Materie "atomless gunk", atomlose "Götterspeise" ist, scheint nicht a priori ausgeschlossen. Das würde allerdings bedeuten, dass jeder Organismus, jede Zelle, jedes Molekül, jedes (physikalische) Atom und jedes noch so winzige Elementarteilchen aus einer aktual-unendlichen Menge von Bestandteilen zusammengesetzt wäre.
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Was genau soll das Problem daran sein, dass ein Etwas, ein Ding aus unendlich vielen Elementen besteht? Das ist auch so, weil Du genau deswegen mit Deinem Auflösungsvermögen nie unterhalb der Planck-Länge gelangen kannst. Oder anders: In der Physik ist ein Feld eine Funktion, die jedem Punkt im Raum eine physikalische Größe zuordnet - der Raum besteht aber aus unendlich vielen Punkten.
Myron hat folgendes geschrieben: |
In diesem Fall wären die Anzahlen der Bestandteile eines Organismus, einer Zelle, eines Moleküles usw. stets identisch, nämlich Aleph-0 (die erste transfinite Kardinalzahl). Jede einzelne Zelle meines Körpers würde somit aus derselben unendlichen Anzahl von Bestandteilen bestehen wie mein Körper als Ganzes. Das ist ein Punkt, der vielen paradox erscheint.
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Du betreibst hier nur eine Form von Zahlenmagie. Warum also nicht bsw. Aleph-1? Warum genau soll die Mächtigkeit von Mengen vielen als paradox erscheinen?
Myron hat folgendes geschrieben: |
Wer die Existenz vollendeter Unendlichkeiten in der physischen Welt aus grundsätzlichen Erwägungen heraus für unmöglich hält, der muss die Möglichkeit der Atomlosigkeit der Materie und damit die Möglichkeit unendlicher physischer Komplexität verwerfen, und ein aus einfachen Gebilden bestehendes Seinsfundament postulieren. Das nennt man dann ontologischer Atomismus, welcher in der Annahme der Existenz mereologischer Atome besteht. Wenn es physische mereologische Atome gibt, dann sind sie die Substanzen der physischen Realität.
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Ein hübsches Beispiel aus der immer aktuellen Reihe 'Metaphysik' ist bloß schlechte Physik' ... . Ist den Zenons 'Achilles und die Schildkröte' unmöglich in der physischen Welt?!
Und wenn die physischen Welt von der mereologisch-substanziellen Schildkröte getragen wird, was trägt dann die Schildkröte?
Myron hat folgendes geschrieben: |
Man beachte, dass mit der bloßen Annahme der Existenz mereologischer Atome noch nicht die Fragen beantwortet sind, um welche Art von Entität es sich bei den Atomen handelt und wie viele es davon gibt. Da gibt es nämlich mehrere Kandidaten, z.B. 0-dimensionale oder minimal 3/4-dimensionale Partikel oder Korpuskel in endlicher oder unendlicher Anzahl. Es könnte aber auch sein, dass es nur ein einziges Atom gibt, nämlich die Welt oder die Raumzeit als Ganzes.
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Begriffsdichtung.
Myron hat folgendes geschrieben: |
Wenn wir das Wort "Atom" hören, denken wir zunächst an winzige Dinge; doch ein mereologisches Atom muss keineswegs winzig sein. Es kann auch riesig sein, denn mereologische Atomhaftigkeit bedeutet Einfachheit im Sinne von Bestandteillosigkeit und Nichtzusammengesetztheit, aber nicht im Sinne von räumlicher/raumzeitlicher Unausgedehntheit. Das heißt, Atome müssen nicht 0-dimensional sein. Atome können durchaus 3- oder 4-dimensional sein. Sie haben keine substanziellen Bestandteile, was nicht bedeutet, dass sie auch keine nichtsubstanziellen räumlichen oder zeitlichen Teile haben.
Eine mereologisch atomare Kugel hat eine obere und eine untere Hälfte, aber sie ist aus diesen räumlichen Teilen nicht zusammengesetzt, da es sich dabei nicht um eigenständige Halbkugeln handelt, die lediglich zu einer Kugel zusammengefügt wurden und auch wieder voneinander getrennt werden können.
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Das muss nichts bedeuten - selbst beim Weihnachtsmann oder der Zahnfee gibt es per definitionem sowohl ein Oben als auch ein Unten, wobei die Hälften auch keineswegs eigenständig sind. Der räumlich-zeitliche Teil ist dabei auch nicht weiter bemerkenswert ... .
Cheers,
Lamarck
_________________ „Nothing in Biology makes sense, except in the light of evolution.” (Theodosius Dobzhansky)
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Lamarck Radikaler Konstruktivist
Anmeldungsdatum: 28.03.2004 Beiträge: 2148
Wohnort: Frankfurt am Main
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(#1905749) Verfasst am: 04.03.2014, 03:28 Titel: |
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Hi step!
step hat folgendes geschrieben: |
Lamarck hat folgendes geschrieben: |
step hat folgendes geschrieben: | ... Der Metaphysik entkleidet, verschwindet der Unterschied zwischen Begriff und Gegenstand so ziemlich, würde ich sagen.
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Der Begriff ist nicht identisch mit dem Gegenstand, die Landkarte ist nicht das Land ...
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Natürlich - deshalb heißt sie ja auch "Landkarte" und nicht "Land".
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Vermutlich meinst Du, wenn Du sagen würdest, der Unterschied zwischen Landkarte und Land 'verschwindet' so ziemlich, einfach nur, es gibt gute und weniger gute Landkarten?
Cheers,
Lamarck
_________________ „Nothing in Biology makes sense, except in the light of evolution.” (Theodosius Dobzhansky)
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44647
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(#1905751) Verfasst am: 04.03.2014, 03:56 Titel: |
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Lamarck hat folgendes geschrieben: | Und, wieviele 'Bauklötze' braucht es für Ontologie - und wieviele, damit 'Ontologie' existiert? |
Keinen.
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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fwo Caterpillar D9
Anmeldungsdatum: 05.02.2008 Beiträge: 26440
Wohnort: im Speckgürtel
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(#1905752) Verfasst am: 04.03.2014, 04:10 Titel: |
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Lamarck hat folgendes geschrieben: | Hi step!
step hat folgendes geschrieben: |
Lamarck hat folgendes geschrieben: |
step hat folgendes geschrieben: | ... Der Metaphysik entkleidet, verschwindet der Unterschied zwischen Begriff und Gegenstand so ziemlich, würde ich sagen.
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Der Begriff ist nicht identisch mit dem Gegenstand, die Landkarte ist nicht das Land ...
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Natürlich - deshalb heißt sie ja auch "Landkarte" und nicht "Land".
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Vermutlich meinst Du, wenn Du sagen würdest, der Unterschied zwischen Landkarte und Land 'verschwindet' so ziemlich, einfach nur, es gibt gute und weniger gute Landkarten?
Cheers,
Lamarck |
Nur so von außen, weil ich mich gerade vor anderer Arbeit drücke:
Landkarte - Land ist keine gute Analogie zu
Begriff - Gegenstand.
Die Landkarte ist kein Begriff für Land, sondern eine Form der Beschreibung einer realen Ausprägung des Begriffes Land.
Und im Gegensatz zum Begriff beschreibt die Landkarte nur diese eine Auspägung des Begriffes Land. Wo wir eine ähnliche Beziehung zwischen Wort und Gegenstand haben wie bei der Landkarte und Land, bezeichnen wir dieses Wort normalerweise nicht als Begriff sondern als Namen.
Aber mir ist steps Bemerkung, um die es hier geht, auch nicht so recht klar.
fwo
_________________ Ich glaube an die Existenz der Welt in der ich lebe.
The skills you use to produce the right answer are exactly the same skills you use to evaluate the answer. Isso.
Es gibt keinen Gott. Also: Jesus war nur ein Bankert und alle Propheten hatten einfach einen an der Waffel (wenn es sie überhaupt gab).
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44647
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(#1905753) Verfasst am: 04.03.2014, 06:42 Titel: |
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fwo hat folgendes geschrieben: | Und im Gegensatz zum Begriff beschreibt die Landkarte nur diese eine Auspägung des Begriffes Land. Wo wir eine ähnliche Beziehung zwischen Wort und Gegenstand haben wie bei der Landkarte und Land, bezeichnen wir dieses Wort normalerweise nicht als Begriff sondern als Namen. |
Außer dass der Name dem Gegenstand rein äußerlich ist, während die Landkarte sich zumindest irgendwie auf das Land beziehen muss, um von Nutzen zu sein.
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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Wolf registrierter User
Anmeldungsdatum: 23.08.2004 Beiträge: 16610
Wohnort: Zuhause
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(#1905773) Verfasst am: 04.03.2014, 11:20 Titel: |
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smallie hat folgendes geschrieben: |
Ich hab' Formalisierung so verstanden, daß man Beweise und neue Aussagen auf mechanische Weise finden kann. Das Hilbertsche Programm. Die gegenteilige Ansicht vertraten die Intuitionalisten.
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Hilberts Programm ist aber nicht an der mechanischen Herleitung von Beweisen gescheitert.
Sondern an der Vollständigkeit und an der Beweisbarkeit der Widerspruchsfreiheit.
Zitat: |
Es ist leicht, einen Satz aufzustellen, der in keinem Zusammenhang mit allen bekannten Sätzen steht, so wie etwa "dieser Satz kann nicht bewiesen werden". Natürlich kann der Satz nicht bewiesen werden, weil er nichts aussagt. Was passiert, wenn man den Satz ins Axiomensystem aufnimmt? Nichts. Es gibt keine neue Aussage, die man daraus ableiten kann. |
Es gibt auch Sätze die im Zusammenhang stehen wie die Kontinuumshypothese zu den natürlichen und reellen Zahlen oder das Auswahlaxiom, welche nicht entscheidbar sind.
Aus ihnen kann man neue Aussagen ableiten. Etwa: Zornsche Lemma, Existenz nicht messbarer Mengen, usw..
Und fügt man diese Sätze dem Axiomensystem hinzu gibt es wieder solche Sätze.
_________________ Trish:(
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Marcellinus Outsider
Anmeldungsdatum: 27.05.2009 Beiträge: 7429
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(#1905777) Verfasst am: 04.03.2014, 11:43 Titel: |
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Myron hat folgendes geschrieben: | zelig hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Gibt es Kreise [...] ? |
Man frage nach, warum Kreise nicht existieren sollen, und erhält mit der Antwort einen Einblick in die ontologischen Setzungen des Auskunft gebenden. Die müssen nicht einmal reflektiert sein. |
Die Existenz kreisförmiger materieller Objekte wird (außer Leuten, die generell die Existenz materieller Objekte bestreiten) niemand bestreiten. Bei der Frage nach der Existenz von Kreisen als abstrakt-immateriellen geometrischen Formen sieht die Sache anders aus. |
Natürlich existieren sie! Als Vorstellungen in den Köpfen von Menschen!
Tarvoc hat folgendes geschrieben: | In einem simplen Sprachspiel, in dem es drei Bauklötze gibt, die miteinander verbaut, aber als solche nicht verändert (also z.B. nicht zerbrochen) werden, spielen diese drei Bauklötze gewissermaßen die Rolle von Atomen. Für die Physik sind diese Bauklötze hingegen natürlich keine Atome, und zwar weder im physikalischen noch im ontologischen Sinne. |
Und vor allem sind es nicht nur drei Bauklötze, sondern viele, viele!
Myron hat folgendes geschrieben: |
Wer die Existenz vollendeter Unendlichkeiten in der physischen Welt aus grundsätzlichen Erwägungen heraus für unmöglich hält, der muss die Möglichkeit der Atomlosigkeit der Materie und damit die Möglichkeit unendlicher physischer Komplexität verwerfen, und ein aus einfachen Gebilden bestehendes Seinsfundament postulieren. Das nennt man dann ontologischer Atomismus, welcher in der Annahme der Existenz mereologischer Atome besteht. Wenn es physische mereologische Atome gibt, dann sind sie die Substanzen der physischen Realität.
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F. H. Bradley meinte: "Metaphysik ist das Finden schlechter Gründe für das, was wir instinktiv glauben", und ich denke, daß das alles ein großes Mißverständnis ist. Unser Gehirn ist evolutionär entstanden als ein Werkzeug zum Überleben, nicht zur Erkenntnis. Wir können vielleicht 6 - 7 Argumente gleichzeitig im Bewußtsein behalten. Damit das "Sein" dieses Universums ergründen zu wollen, obwohl wir nicht einmal wissen, was dieses Universum in Gänze ist, ist schon eine interessante Idee.
Die Vorstellung, durch bloßes Nachdenken etwas über die "Substanz der physischen Realität" herausfinden zu wollen, ist in der Praxis gescheitert. Allein über den vermeintlichen Unterschied zwischen "Substanz" und "Akzidenz" sind schon Bibliotheken gefüllt worden, und die Frage nach dem "Seinsfundament" impliziert ja wohl, daß es ein solches "Fundament" überhaupt gibt, und damit die nächste Frage, worauf dieses "Fundament" denn beruhe, usw. usw.
"Zur Metaphysik kommt man", schrieb Rolf Hellmut Foerster, "wenn man beim Nachdenken über eine Sache dem Denken selbst den Vorrang vor der Sache gibt." Anschauliche Beispiele kann man in diesem Thread reichlich finden. Ich will niemandem sein offenbar interessantes Hobby ausreden, nur solltet ihr euch klar machen, daß es zur Orientierung in dieser Welt schon lange nichts mehr beiträgt (eher zur Verwirrung), und damit auch nach außen sichtbar zu einer Weltanschauung geworden ist, der man anhängen kann, aber nicht muß.
In vielem wird die Philosophie (zB in ihrer Suche nach absoluten Anfängen, nach dem Unwandelbaren hinter allen "Erscheinungen", nach absoluten, endgültigen, dogmatischen Antworten) damit der Religion immer ähnlicher, mit der sie offenbar zu lange das Bett geteilt hat.
_________________ "Mangel an historischem Sinn ist der Erbfehler aller Philosophen ... Alles aber ist geworden;
es gibt keine ewigen Tatsachen: sowie es keine absoluten Wahrheiten gibt."
Friedrich Nietzsche
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zelig Kultürlich
Anmeldungsdatum: 31.03.2004 Beiträge: 25405
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(#1905801) Verfasst am: 04.03.2014, 13:18 Titel: |
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Marcellinus hat folgendes geschrieben: | Myron hat folgendes geschrieben: | zelig hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Gibt es Kreise [...] ? |
Man frage nach, warum Kreise nicht existieren sollen, und erhält mit der Antwort einen Einblick in die ontologischen Setzungen des Auskunft gebenden. Die müssen nicht einmal reflektiert sein. |
Die Existenz kreisförmiger materieller Objekte wird (außer Leuten, die generell die Existenz materieller Objekte bestreiten) niemand bestreiten. Bei der Frage nach der Existenz von Kreisen als abstrakt-immateriellen geometrischen Formen sieht die Sache anders aus. |
Natürlich existieren sie! Als Vorstellungen in den Köpfen von Menschen! |
Sagen wir mal so, jenseits aller Ironie. Zur Sache kommen wir erst dann, wenn Du die Gründe dafür nennst, warum der Kreis nicht existiert. So ist meine Aussage gemeint.
_________________ Es gibt kein richtiges Leben im falschen.
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Marcellinus Outsider
Anmeldungsdatum: 27.05.2009 Beiträge: 7429
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(#1905812) Verfasst am: 04.03.2014, 13:56 Titel: |
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zelig hat folgendes geschrieben: | Marcellinus hat folgendes geschrieben: | Myron hat folgendes geschrieben: | zelig hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Gibt es Kreise [...] ? |
Man frage nach, warum Kreise nicht existieren sollen, und erhält mit der Antwort einen Einblick in die ontologischen Setzungen des Auskunft gebenden. Die müssen nicht einmal reflektiert sein. |
Die Existenz kreisförmiger materieller Objekte wird (außer Leuten, die generell die Existenz materieller Objekte bestreiten) niemand bestreiten. Bei der Frage nach der Existenz von Kreisen als abstrakt-immateriellen geometrischen Formen sieht die Sache anders aus. |
Natürlich existieren sie! Als Vorstellungen in den Köpfen von Menschen! |
Sagen wir mal so, jenseits aller Ironie. Zur Sache kommen wir erst dann, wenn Du die Gründe dafür nennst, warum der Kreis nicht existiert. So ist meine Aussage gemeint. |
Was willst du mir damit sagen? "Der Kreis" als präexistente Idee? Als Teil der Welt 3 von Popper? Oder was? Es gibt das sprachliche Symbol "Kreis". Wir lernen es als Kinder von unseren Eltern oder Lehrern (die es auch nicht erfunden haben, sondern wieder gelernt), zusammen mit einer von vielen Vorstellung, die sich damit verbinden. So entsteht in uns ein Bild von einem "Kreis", bei dem einen mehr konkret gebunden an unterschiedliche Kreisbilder, beim anderen als geometrische Konstruktion, oder als mathematische Formel oder als abstrakte Vorstellung.
Daneben gibt es all die konkreten Kreise, mehr oder weniger krakelig mit Kreide auf Zaunlatte, schön mit dem Zirkel, gemalt, gebaut, was auch immer. Was von alledem soll "nicht existieren"? In unseren Kulturkreis wissen wir trotz der unterschiedlichen Formen, daß das Repräsentationen dessen sind, was wir mit dem Symbol "Kreis" bezeichnen. Und wenn wir dann gefragt werden, was ein Kreis ist, so malen fast alle von uns, Erwachsene wie Kinder, mit dem Finger eine kreisförmige Figur in die Luft.
_________________ "Mangel an historischem Sinn ist der Erbfehler aller Philosophen ... Alles aber ist geworden;
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Friedrich Nietzsche
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zelig Kultürlich
Anmeldungsdatum: 31.03.2004 Beiträge: 25405
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(#1905821) Verfasst am: 04.03.2014, 14:17 Titel: |
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Marcellinus hat folgendes geschrieben: | zelig hat folgendes geschrieben: | Marcellinus hat folgendes geschrieben: | Myron hat folgendes geschrieben: | zelig hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Gibt es Kreise [...] ? |
Man frage nach, warum Kreise nicht existieren sollen, und erhält mit der Antwort einen Einblick in die ontologischen Setzungen des Auskunft gebenden. Die müssen nicht einmal reflektiert sein. |
Die Existenz kreisförmiger materieller Objekte wird (außer Leuten, die generell die Existenz materieller Objekte bestreiten) niemand bestreiten. Bei der Frage nach der Existenz von Kreisen als abstrakt-immateriellen geometrischen Formen sieht die Sache anders aus. |
Natürlich existieren sie! Als Vorstellungen in den Köpfen von Menschen! :wink: |
Sagen wir mal so, jenseits aller Ironie. Zur Sache kommen wir erst dann, wenn Du die Gründe dafür nennst, warum der Kreis nicht existiert. So ist meine Aussage gemeint. |
Was willst du mir damit sagen? |
Nichts. Ich frage nur. Du gibst als Antwort eine Kategorisierung des Kreises. Wenn ich Dich richtig verstehe, hältst Du einige davon für existent, andere aber nicht (ich bin mir aber nicht sicher, ob ich Dich richtig verstehe).
_________________ Es gibt kein richtiges Leben im falschen.
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Marcellinus Outsider
Anmeldungsdatum: 27.05.2009 Beiträge: 7429
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(#1905824) Verfasst am: 04.03.2014, 14:51 Titel: |
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zelig hat folgendes geschrieben: |
Wenn ich Dich richtig verstehe, hältst Du einige davon für existent, andere aber nicht (ich bin mir aber nicht sicher, ob ich Dich richtig verstehe). |
Manche Kreise sind konkret beobachtbar, andere Vorstellungen im Kopf von Menschen (bisher noch nicht beobachtbar). Existieren tun beide.
_________________ "Mangel an historischem Sinn ist der Erbfehler aller Philosophen ... Alles aber ist geworden;
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44647
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(#1905871) Verfasst am: 04.03.2014, 17:20 Titel: |
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Marcellinus hat folgendes geschrieben: | Natürlich existieren sie! Als Vorstellungen in den Köpfen von Menschen! |
Womit du hinsichtlich der Existenz von Kreisen eine ontologische Position bezogen hättest, nämlich die des subjektiven Idealismus.
Marcellinus hat folgendes geschrieben: | F. H. Bradley meinte: "Metaphysik ist [...]" |
Es wurde hier bereits demonstriert, dass Ontologie und Metaphysik nicht synonym sind. Dein metaphysikkritischer Diskurs erübrigt sich damit.
Ach ja: Deine Vorstellungen von Sprache und Spracherwerb gelten in der Linguistik übrigens mindestens seit mehreren Jahrzehnten als veraltet.
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
Zuletzt bearbeitet von Tarvoc am 04.03.2014, 17:22, insgesamt 4-mal bearbeitet |
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Myron Pansomatist
Anmeldungsdatum: 01.07.2007 Beiträge: 3625
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(#1905872) Verfasst am: 04.03.2014, 17:20 Titel: |
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Lamarck hat folgendes geschrieben: | Hi Myron! Ontologie impliziert nichts, aber auch gar nichts. Und merologisch-ontologische Atome implizieren ebenfalls auch keine physikalischen Atome oder sonst irgendetwas.... |
Der mereologische/ontologische Atomismus ist in der Tat selbst mit einem radikalen Spiritualismus vereinbar, dem nach die Atome der Welt einfache spirituelle/immaterielle Substanzen (Geister, Seelen), d.i. spirituelle Monaden sind. Denn er besagt an sich nicht mehr, als dass es einfache, d.h. nicht aus anderen Dingen zusammengesetzte Dinge gibt.
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Myron hat folgendes geschrieben: |
Ob es Atome im mereologisch-ontologischen Sinn gibt, wissen wir nicht. Dass es keine solchen Atome gibt, d.h. dass die Materie "atomless gunk", atomlose "Götterspeise" ist, scheint nicht a priori ausgeschlossen. Das würde allerdings bedeuten, dass jeder Organismus, jede Zelle, jedes Molekül, jedes (physikalische) Atom und jedes noch so winzige Elementarteilchen aus einer aktual-unendlichen Menge von Bestandteilen zusammengesetzt wäre. |
Was genau soll das Problem daran sein, dass ein Etwas, ein Ding aus unendlich vielen Elementen besteht? Das ist auch so, weil Du genau deswegen mit Deinem Auflösungsvermögen nie unterhalb der Planck-Länge gelangen kannst. Oder anders: In der Physik ist ein Feld eine Funktion, die jedem Punkt im Raum eine physikalische Größe zuordnet - der Raum besteht aber aus unendlich vielen Punkten. |
Ich hätte mich noch genauer ausdrücken müssen, denn es besteht ein Unterschied zwischen
1. "Ein nichteinfaches Ding ist aus unendlich vielen einfachen Dingen zusammengesetzt"
und
2. "Ein nichteinfaches Ding ist aus unendlich vielen nichteinfachen Dingen zusammengesetzt, d.h. aus Dingen, die alle selbst aus unendlich vielen nichteinfachen Dingen zusammengesetzt sind".
Nur im Fall von 2 haben wir es mit "atomless gunk", mit atomlosen Dingen oder Stoffen zu tun!
Eine aus Punkten zusammengesetzte Linie ist im mathematischen Sinn unendlich teilbar, aber sie besteht nichtsdestoweniger aus Atomen, nämlich den einfachen Punkten. Dagegen besteht ein atomloses Ding oder ein atomloser Stoff nicht aus unendlich vielen einfachen Teilchen, sondern aus unendlich vielen nichteinfachen Teilchen, die wiederum alle selbst aus unendlich vielen nichteinfachen Teilchen bestehen. Atomlose Materie ist ontologisch boden- oder grundlos. Dass atomlose Materie ontologisch möglich ist, ist zumindest zweifelhaft, wenngleich diese Annahme nicht zu logischen Widersprüchen führt.
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Und wenn die physischen Welt von der mereologisch-substanziellen Schildkröte getragen wird, was trägt dann die Schildkröte? |
Die atomaren Substanzen sind als Seinsfundament "selbsttragend".
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Myron Pansomatist
Anmeldungsdatum: 01.07.2007 Beiträge: 3625
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(#1905882) Verfasst am: 04.03.2014, 17:44 Titel: |
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Marcellinus hat folgendes geschrieben: | Myron hat folgendes geschrieben: |
Die Existenz kreisförmiger materieller Objekte wird (außer Leuten, die generell die Existenz materieller Objekte bestreiten) niemand bestreiten. Bei der Frage nach der Existenz von Kreisen als abstrakt-immateriellen geometrischen Formen sieht die Sache anders aus. |
Natürlich existieren sie! Als Vorstellungen in den Köpfen von Menschen! |
Die Existenz von Kreisvorstellungen oder -bildern ist eine Sache und die Existenz von Kreisen eine andere.
Marcellinus hat folgendes geschrieben: | F. H. Bradley meinte: "Metaphysik ist das Finden schlechter Gründe für das, was wir instinktiv glauben"... |
Sprach's und stellte dann seine eigenen metaphysischen Theorien auf.
Marcellinus hat folgendes geschrieben: | Die Vorstellung, durch bloßes Nachdenken etwas über die "Substanz der physischen Realität" herausfinden zu wollen, ist in der Praxis gescheitert. Allein über den vermeintlichen Unterschied zwischen "Substanz" und "Akzidenz" sind schon Bibliotheken gefüllt worden, und die Frage nach dem "Seinsfundament" impliziert ja wohl, daß es ein solches "Fundament" überhaupt gibt, und damit die nächste Frage, worauf dieses "Fundament" denn beruhe, usw. usw. |
Nein, wenn atomare Substanzen das Realitätsfundament bilden, dann stellt sich diese Frage nicht. Denn das Fundament beruht auf sich selbst.
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